Arbeiten der amerikanischen Fotografin Roni Horn sind in der Galerie der Gegenwart zu sehen.

Galerie der Gegenwart. Weiß dominiert das Sockelgeschoss der Galerie der Gegenwart. Das Weiß der Rahmen Hunderter Fotografien von Roni Horn. Ein neutrales, fast jungfräuliches Weiß, das der Konzentration auf das doppelte bis mehrfache Spiel mit ihren Porträts dient. Roni Horn, eine der renommiertesten internationalen Gegenwartskünstlerinnen, spielt mit dem flüchtigen Bild der Identität, mit dem Phänomen, dass selbst ein Ei im Laufe seines Werdens nie sich selbst gleicht. Ihre Ausstellung, die hier im Rahmen der 5. Phototriennale gezeigt wird, handelt von Menschen, Tieren und Dingen, wie sie bleiben und sich verändern.

Zunächst aber stimmt Roni Horn ihr Publikum auf die unergründliche Tiefe weiblicher Sexualität ein. In Doppelporträts zeigt die bekennende Feministin die Wunden der großen Mutter Erde, Aufnahmen von heißen Quellen, blubbernden Erdlöchern in Island. Mit solch irdischen Feuchtgebieten kündigt sich eines der dominanten Themen der Schau an - das Wasser als Element alles Wandelbaren und Flüchtigen, das Wetter wie Flüssen stets neue Gesichter verleiht. Auch in anderer Hinsicht legen die Aufnahmen dieser Erdlöcher ein Prinzip der künstlerischen Arbeit von Roni Horn offen: den Vergleich. Oft trägt die Künstlerin zwei oder mehrere motivgleiche Bilder zusammen, um zu zeigen, wie die Zeit die Gesichter prägt und ändert.

Viele der Aufnahmen entstanden auf Island, jener Insel, die Roni Horn schon seit Jahrzehnten regelmäßig für ihre fotografischen Arbeiten aufsucht. Ob Zufall oder nicht: Angesichts der Ausstellung wird diese Insel mit ihren elementaren Naturkräften symbolisch zu einem Hort mütterlich-weiblich-zyklischer Urkräfte aufgeladen, verwandelt sich in den Schauplatz irdischen Werdens und Vergehens. In der Serie "You are the Weather" (1994-95) nimmt die Amerikanerin mehrfach das Gesicht einer jungen isländischen Künstlerin beim Bad in heißen Quellen auf. Wie Aphrodite, die Schaumgeborene und Liebesgöttin, ragt das Gesicht dieser jungen hübschen Frau aus dem reinen, klaren Urwasser allen Lebens heraus. Eine weitere Arbeit widmet sich in Form eines Zyklus dem Leben dieser Insel. In ewiger Wiederkehr schließen sich die Bilder einer älteren Frau, eines Mannes, einer populären TV-Show, von Innenräumen, des Meers und eines traditionellen Rituals zu einem Kreis ohne Anfang und Ende.

Ähnlich zyklisch verfährt Roni Horn mit der Serie "Some Thames" (2000), ein Wortspiel, das sowohl "themes" wie auch "sames" assoziiert. Die Arbeit, eine der überzeugendsten der Ausstellung, zeigt unterschiedlichste Stimmungen und "Launen" auf der Oberfläche der Themse in London, von aufwühlend bis spiegelglatt, von innerlich bewegt bis schimmernd-leuchtend im Morgenlicht. Etliche ihrer Arbeiten gruppiert Roni Horn in Paaren, zu "Zwillingen". Manchmal liegt nur ein Bruchteil einer Sekunde, manchmal Jahre zwischen beiden Bildern ein und derselben Person.

Auch ihr eigenes Porträt findet sich in einer dieser Arbeiten wieder. In "a.k.a." (2008-2009), das mit dem populären Kürzel für "also known as" spielt, addieren sich Kinder- und Jugendaufnahmen der Künstlerin zu insgesamt 15 Paaren. Den Anfang macht ein aktuelles Bild von ihr zusammen mit einem Porträt als Jugendliche. Das Ende markieren zwei fast identische Aufnahmen. So verwandelt sich "a.k.a." in ein Selbstporträt, das Rückläufigkeit mit Gegenläufigkeit des eigenen Werdens aufzeigt und nur für einen einzigen Lebensmoment eine mögliche und stimmige Identität der beiden "Zwillinge" suggeriert.

"Roni Horn. Photographien": 15.4.-14.8., Galerie der Gegenwart (U/S Hbf.), Glockengießerwall