Heute startet das Off-Kultur-Festival 150 % Made in Hamburg an elf Spielorten

Lichthof. Eine Kulturmetropole ohne lebendige Off-Szene ist keine. Die frei, in wechselnden Kollektiven und spartenübergreifenden Konstellationen arbeitenden Choreografen, Performer, Regisseure, Schauspieler und Tänzer bilden den Humus für die florierende Kunstszene einer Stadt. In Hamburg kann sich die - im Vergleich zu Berlin oder München - unterfinanzierte freie Szene allerdings nicht richtig entfalten. Eine vom Dachverband Freier Theaterschaffender Hamburg angestoßene und von der Kulturbehörde in Auftrag gegebene Potenzialanalyse soll nun die Situation klären und Argumentationsbasis in der Bürgerschaft für eine verbesserte Förderung liefern.

Da grenzt es beinahe an ein Wunder, dass sich das Festival 150 % Made in Hamburg halten und weiterentwickeln konnte. Heute startet Christian Concilio die sechste Ausgabe der Präsentationsplattform für die Hamburger Freie Szene. Bis zum 17. April zeigen 18 Gruppen und Theatermacher ihre Produktionen. In den vergangenen Jahren konnte der künstlerische Leiter das Frühjahrsfestival zunehmend in der Stadt vernetzen und kann diesmal an elf Spielorten die etwa 30 Veranstaltungen durchführen.

Wie unterschiedlich die Projekte sind, demonstriert die Eröffnung im Lichthof. Torge Kübler versucht mit seiner Szenencollage "Dantons Tod. Willen. Zur. Veränderung." nach Georg Büchners Revolutionsdrama Politik im Theater sinnlich erlebbar zu machen (13.4., 19.30, Lichthof). Anschließend folgt die Uraufführung des sprechmusikalischen Experiments "schwics" (13.4., 21.15, 16.4., 20.15, Lichthof ). Ausgehend von Kurt Schwitters dadaistischen Lautgedichten behandelt Regisseur Hans-Jörg Kapp im neurologisch-performativen Theater das Tourettesyndrom. Diese Krankheit äußert sich in mimischen oder vokalen Wiederholungs-Tics, auch in aggressiven oder unflätigen Äußerungen. In Kapps lautmalerisch rhythmischer Versuchsanordnung agieren ein Performer mit echten Tourette-Störungen, eine Stimmkünstlerin und ein Nervenarzt.

Das Programmspektrum reicht von Schauspiel über Film- und Tanzvorstellungen bis zur Kostümperformance und begehbaren Installation. "Biografie- und Recherche-Formate spielen eine Rolle", sagt Tatjana Dübbel. Seit 2007 teilt sie sich mit Festivalgründer Concilio die Leitung. "Ein bestimmtes Thema verfolgen wir aber nicht. Wir wollen einen Überblick der Entwicklungen, der Künstler und ästhetischen und formalen Vielfalt der Projekte in der lokalen Szene geben."

Trotz der Unterstützung durch verschiedene Stiftungen und die Kulturbehörde spielen die Gruppen ohne Gage. "Wir haben bisher zwar die höchste Summe von 25 000 Euro zusammenbekommen, können aber nur die Kosten für Anfahrt, Unterkunft und Requisiten übernehmen." Denn nicht alle Produktionen sind in Hamburg entstanden, aber Schauspieler oder Regisseure aus der hiesigen Szene sind beteiligt.

Im neuen Festivalformat "150% connected" ist erstmals ein internationales Gastspiel zu sehen. Die iranische Company Indra Dance kommt zum Finale mit Atefeh Tehranis emotionaler Körpertheater-Version von "Othello" (16./17.4., 20.30, Zeisehallen). Ein Beleg dafür, dass die Hamburger freie Szene längst über die Stadt hinaus wirkt und durch Kontakte in der Welt vernetzt ist.

Festival 150% Made in Hamburg: 13. bis 17.4., www.festival150prozent.de