In der kommenden Saison feiert die Staatsoper ein Schnapszahl-Jubiläum: 333 Jahre gesungene Leidenschaft, und das Hamburg Ballett tanzt Jazz.

Hamburg. Nachdem das Gründungsjahr der Gänsemarkt-Oper 1678 die Intendantin Simone Young Anfang 2011 dazu verlockte, ein Schnapszahl-Jubiläum auszurufen, unternimmt die Hamburgische Staatsoper in der kommenden Saison eine Zeitreise durch ihre eigene Geschichte. "333 Jahre Oper in Hamburg" will man, nach einer Auftaktveranstaltung im Januar, nun eine ganze Spielzeit lang an der Dammtorstraße feiern. Dass die historische Exkursion in eigener Sache mit fünf Neuproduktionen nur sehr punktuell an geschichtsträchtigen hamburgischen Opernmomenten anlanden kann, liegt auf der Hand. Dennoch werde man den Bogen von den Anfängen der Bürgeroper bis in die Gegenwart spannen, versprach Operndirektor Francis Hüsers gestern bei der Vorstellung des Programms. Begleitende Vorträge, Diskussionsveranstaltungen und Kammerkonzerte sollen außerdem Gelegenheit schaffen, über die aktuelle Gültigkeit jenes bürgerlichen Engagements für die Oper nachzudenken, das gern als spezifisch hanseatisch beschworen wird.

Eröffnet allerdings wird die Spielzeit im September mit einem Abenteuer: Doris Dörrie, für ihre Spielfilme oft gelobt und selten gescholten, für ihre Operninszenierungen selten gelobt und oft gescholten, wird Mozarts "Don Giovanni" mit Wolfgang Koch in der Titelrolle inszenieren. Vor sechs Jahren erwarb Frau Dörrie sich mit ihrer Münchner "Rigoletto"-Inszenierung die Prämie "Ärgernis des Jahres" in der jährlichen Kritikerumfrage des Fachblatts "Opernwelt". Dörries "Cosí"-Inszenierung an der Staatsoper Berlin aber fand Simone Young "witzig, unterhaltsam, interessant", wie sie gestern mitteilte, weshalb sie der Produktion mit sich selbst am Pult mit Freuden entgegensieht. Im Übrigen, baute sie vorsorglich schon mal Verrissen vor, sei das Scheitern am "Don Giovanni" gängige Praxis auch bei sehr viel erfahreneren Opernregisseuren.

Der Barockoper, dem geistigen Brot seiner Gründerzeit, zollt das Haus mit Telemanns "Flavius Bertaridus, König der Langobarden" Tribut. Maite Beaumont singt die Titelpartie, Alessandro De Marchi dirigiert, der Theaterregisseur Jens-Daniel Herzog gibt damit sein Debüt an der Staatsoper. Auch das Internationale Opernstudio, die Nachwuchsschmiede, feiert mit Johann Matthesons "Cleopatra" die barocken Ursprünge des Stammhauses.

Karoline Gruber, die sich im vergangenen Jahrzehnt mit zwei flott und stimmig inszenierten Barockopern ins Gedächtnis der Oper einschrieb, kehrt mit Aribert Reimanns wirkungsmächtiger zeitgenössischer Shakespeare-Oper"Lear" zurück. Bo Skovhus singt den tragischen König, Simone Young dirigiert. Für Puccinis bebend vitale "Manon Lescaut"-Partitur holt Young ihren Kollegen Marco Armiliato und die Sopranistin Norma Fantini aus Italien. Dem Regisseur Philipp Himmelmann baut Johannes Leiacker die Bühne. Und mit Richard Strauss' "Ariadne auf Naxos" unter der Regie von Christian Stückl und mit Anne Schwanewilms als Primadonna/Ariadne fügt die Staatsoper einen weiteren Stein in ihr ansehnliches Mosaik von Strauss-Opern.

Als Wiederaufnahmen sind Wagners "Tristan und Isolde" in der Ruth-Berghaus-Inszenierung von 1988 sowie Willy Deckers Lesart von Tschaikowskys "Pique Dame" vorgesehen. Die Opera piccola kehrt nach Jahren auf Kampnagel in die Opera stabile zurück und setzt eine Musiktheaterfassung des Kinderbuchklassikers "Der Räuber Hotzenplotz" aufs Programm. Zwei weitere zyklische "Ring"-Aufführungen halten die Beschäftigung des Trios Young/Guth/Schmidt mit Wagners germanischem Götter-Epos lebendig. Einigen Sternenstaub dürfte schließlich die Star-Sopranistin Angela Gheorghiu aufwirbeln, die im Frühjahr 2012 bei drei Aufführungen als Gast die Mimi in Puccinis "La Bohème" singen wird.

John Neumeier bringt für sein Hamburg Ballett eine neue Kreation heraus: "Liliom", eine "Ballettlegende frei nach Ferenc Molnár", zu Musik des großen Jazz- und Filmmusikkomponisten Michel Legrand. Die NDR Bigband spielt, und als Julie tanzt Alina Cojocaru, die auch als Marguerite bei der "Kameliendame" zu erleben sein wird. Roberto Bolle, für den Neumeier 2009/10 seinen "Orpheus" choreografierte und der dann infolge einer Verletzung nicht tanzen konnte, will nun, genesen, in zwei Neumeier-Werken auftreten: der "Kameliendame" und dem "Orpheus".

"Renku" - benannt nach einer japanischen Gedichtform, bei der mehrere Poeten Verse beisteuern - soll jungen Choreografen eine Plattform bieten. Nicht auszuschließen freilich, dass bei diesem "Werk in Progress" der Meister doch noch selbst mit Hand anlegt.

Geschäftsführer Detlef Meierjohann vermeldete Stabilität bei den Zuschauerzahlen der letzten und bei den Eintrittspreisen der nächsten Saison.