Der Musikmalocher Seth Lakeman bringt die Geige in die Popmusik und heute ins Knust

Knust. Das Instrument der Stunde in der Popmusik ist das Banjo. Gerade durch die Renaissance der Folkmusik und die verschiedenen Spielarten des Country ist es bei jungen Popfans zum ersten Mal wirklich in den Fokus gerückt. Auf der anderen Seite ist die Geige die Verliererin. In den späten 60er-Jahren gab es eine ganze Reihe von Violinisten, die ihren Bands einen typischen Sound verpassten. David La Flamme von It's A Beautiful Day mit dem Klassiker "White Bird" gehörte ebenso dazu wie Jerry Goodman von The Flock oder Darryl Way von Curved Air. Wer ein Geigensolo hören wollte, musste sich später wieder der Klassik zuwenden, als Popinstrument hatten Violine und Viola ausgedient. Doch jetzt taucht plötzlich ein Musiker auf, der das handliche Saiteninstrument mit Bravour einsetzt. Seth Lakeman ist sein Name.

Lakeman stammt aus der britischen Grafschaft Devon und ist nicht mehr ganz so grün hinter den Ohren wie die Folk-Newcomer von Mumford & Sons, Johnny Flynn oder Noah And The Whale. Bereits als 17-Jähriger nahm er mit seinen Brüdern Sam und Sean als The Lakeman Brothers sein erstes Album auf. Inzwischen hat der Sänger, Songschreiber und Multiinstrumentalist fünf Soloalben aufgenommen, das jüngste heißt "Hearts And Minds".

Lakeman bezeichnet es selbst als "einen großen Schritt nach vorn". Bei diesem Schritt hat ihm ein amerikanischer Produzent geholfen, der dank seiner Arbeit mit Tom Waits, Elvis Costello und den Black Keys schon zu den Produzentenlegenden zählt.

Mit Tschad Blake kam eine Reihe amerikanischer Einflüsse in die Songs von Lakeman. Zwar benutzt er seine Geige nicht als eine fröhlich klingende Fidel wie im Country & Western, doch finden sich ein paar Country-Elemente in seinen Songs. Normalerweise sind die Lieder von Seth Lakeman eher von keltischen Traditionen, von deren Mythen und Legenden geprägt.

Lakeman reagiert in seinen neuen Songs auch auf die Gegenwart. "Rise up, sinking land!", fordert er im Titelsong von "Hearts & Minds". Darin geht es um die Finanzkrise, die nicht nur die Banken beutelt, sondern am Ende vor allem den sogenannten kleinen Mann trifft. Lakeman ist ein Fürsprecher der einfachen Leute, wie in "The Watchman" und "Hard Working Man" zu hören ist. "Harte Arbeit ist keine Schande", singt er in letzterem Song, man möchte ihm spontan beipflichten. Dieses Einstehen für die Arbeiterklasse verbindet ihn mit Billy Bragg, dem wichtigsten politischen Popsänger in Großbritannien. Vor ein paar Jahren durfte Lakeman Bragg auf einer Tournee im Vorprogramm begleiten.

Man muss Seth Lakeman überhaupt eine Menge Mut bescheinigen, denn als er im Jahr 2002 sein erstes Soloalbum aufnahm, zeichnete sich in keiner Weise ab, dass es einige Jahre später zu einer Wiederkehr der Folkmusik im Vereinigten Königreich kommen würde. Lakeman gehört zu denen, die mit ihrer Beharrlichkeit jüngeren Bands wie Mumford & Sons oder einer Sängerin von Laura Marling den Boden bereitet haben. Immerhin erkannten die britischen Kritiker schon 2005 die Qualität des 1977 geborenen Musikers und nominierten ihn für den renommierten Mercury Prize, der in dem Jahr allerdings an die amerikanische Band Antony and The Johnsons ging.

Während ein James Blunt mit seinen schlichten akustischen Songs und seiner Soldaten-Biografie von den Medien zum Mainstream-Superstar aufsteigen konnte, waren Lakemans Songs zu sperrig, um ein Massenpublikum anzuziehen. Allerdings profitiert er jetzt vom aktuellen Indie-Folk-Boom. Sein viertes Album "Poor Man's Heaven" verkaufte sich in Großbritannien mehr als 100 000-mal und erreichte die Top Ten der dortigen Hitparade. Seine Formel aus nachdenklichen Songs, ausdrucksstarker Stimme und dem Klang seiner Geige scheint endlich aufzugehen. Banjospielen kann Lakeman übrigens auch.

Seth Lakeman heute, 21.00, Knust (U Feldstraße), Neuer Kamp 30, Karten 18,95; Internet: www.sethlakeman.co.uk