Das Hamburger Bandkollektiv Station 17 hat ihr neues Album in der Hitze des Wendlands aufgenommen. Das Ergebnis heißt “Fieber“.

Hamburg. Was flüstert der da? Ein "Nicht so laut" ist zu erahnen. Heißt der nächste Satz wirklich "Warum ich nicht schlafen kann"? Und wer ist dieser Philip, der da erwähnt wird? Es sind hingehauchte Andeutungen, mit denen das Hamburger Musikerkollektiv Station 17 seine neue Platte "Fieber" eröffnet. Und der Titel, er wird bereits bei diesem ersten Stück "Die Königin" intensiv spürbar. Klänge aus Keyboard, Bass, Gitarre und Perkussion flirren derart in- und umeinander, dass sie im Dschungel hätten entstehen können, in der Hitze der Großstadt oder einem reizüberfluteten Kopf. Und dass die Hörer bei Hoss Beckers Sprechgesang rätseln dürfen und müssen, verleiht dem Track eine geheimnisvolle Schönheit.

Zwölf Künstler im Alter von 20 bis 40 Jahren spielen derzeit in der Band, die sich 1988 gründete und personell sowie stilistisch stets sehr offen gehalten wurde. Im Vergleich zu dem Vorgänger-Album "Goldstein Variationen", bei dem so unterschiedliche Stars wie Fettes Brot und Guildo Horn mitwirkten, ist "Fieber" als intimere Innenschau zu begreifen. Und um ganz unter sich zu sein, quartierte sich das aktuelle Dutzend vergangenen Sommer samt extra Köchin zwei Wochen in einem Landhof im Wendland ein. Inklusive Rekord-Temperaturen und Insektenplage. Das ganze Haus statteten sie mit Mikrofonen aus. Das Leben wurde zur Musik.

"Wir sind ins Wendland gefahren, um uns von Stundenplänen frei zu machen", sagt Alexander Tsitsigias, ein Typ um die 30 mit Fransenfrisur, der bei Station 17 Gitarre und Synthesizer bedient. "Trotzdem haben sich vor Ort Arbeitsstrukturen entwickelt, aber eher abhängig davon, wann die Inspiration kam", erzählt der Musiker. Entstanden ist eine akustische Aura im Spannungsfeld von Elektro und Krautrock.

Mit einigen seiner Bandkollegen hockt Tsitsigias in einem sonnengefluteten Raum der barner 16, einer Künstlerstätte in Altona. Der Rest übt sich eine Etage tiefer im Proberaum darin, klassische Songstrukturen ad absurdum zu führen. Improvisation war schon immer ein Markenzeichen von Station 17. Und somit ist auch ihr achtes Album als Momentaufnahme zu verstehen: Nachträglich montierte Ausschnitte aus den Jam-Sessions im Wendland werden ergänzt durch Laute von der Kreissäge bis zum Storch, die die Gruppe beim Spazieren draußen auf dem Lande aufgenommen hat. Als habe man dem Leben, diesem fiebrigen Fluss, ein paar Melodien und Takte abgelauscht, die exakt so nie wiederkehren werden.

Der laszive und extrem tanzbare Elektrohit "Uh-Uh-Uh" ist als Soundtrack zu diesen heißen Hundstagen im Wendland denkbar, zum Barfußlaufen und Sich-treiben-lassen-Müssen. Und Katharina Bromka, neu als Sängerin bei Station 17, bringt die Nummer mit ihrer tiefen Stimme zusätzlich zum Glühen.

In diese Stimmung passt auch der Song "Nachtfalter", dessen Rhythmen heftig flattern. "Ich hatte das Fenster offen in der Nacht und das Licht an", erzählt Felix Schnettler und schaut wach durch seine Brille. "Der Falter hatte mich erschrocken." Eine klassische Sommersituation, die den 28-Jährigen zu einem bildreichen Dialog mit dem Insekt animierte. "Ansonsten ist hier immer alles ruhig. / Außer dir fliegt kein anderer um die Häuser", folgt Schnettler dem Flug des Falters, bis der Song mit Störgeräuschen ausfranst und der nächtliche Besuch verschwindet.

"Je mehr Vorlieben Menschen einbringen, desto bunter wird auch die Musik", sagt Bassist Peter Tiedeken, den Indierock-Fans bereits aus Bands wie Robocop Kraus kennen könnten. "Das führt zu spannenden Diskussionen." Denn die musikalischen Geschmäcker und Einflüsse seien extrem unterschiedlich. "Das habe ich so in anderen Bands noch nicht erlebt", sagt Tiedeken. Er lacht. Schnettlers Begeisterung für die Hip-Hopper Die Fantastischen Vier steht im krassen Gegensatz zu Tiedekens Faible für Avantgarde-Kompositionen von Glenn Branca. Das Gute: Bei Station 17 kommen sowohl Ideen als auch Konflikte auf den Tisch.

"Es war klar: In 14 Tagen schreiben wir die Sachen, die auf der Platte landen. Einige Leute kommen mit so einem Druck gut klar, andere nicht. Für mich war das der blanke Horror", sagt Tiedeken. Eine ehrliche Atmosphäre prägt das Miteinander bei Station 17. Und eine Nummer liest sich wie ein Kommentar zu dieser Offenheit: "Ich kann dich immer verstehen", heißt diese dadaistische Collage. Sätze reihen sich aneinander wie Schnappschüsse von Gesprächen und Beziehungen. Und in dem Stück gibt es einen Aufruf, der auch für jeden Hörer dieser aufregenden Platte gelten sollte: "Du bist dran!"

Station 17 Sa 23.4., 19.00, Uebel & Gefährlich (U Feldstraße), Feldstr. 66, Eintritt: 15,-; Album: "Fieber" (17records); www.station17.net