Hamburg. Soll man da jetzt vom "Lesewahnsinn" sprechen, wo gefühlt an jedem Ort in Hamburg Lesungen stattfinden? Wo Funzeln dem Autor helfen, Geschriebenes zu entziffern und zu Gehör zu bringen, wo Funzeln den Weltgeist erleuchten. Nee, sollte man nicht. Aber Literatur als freizeitliche Erbauung war selten so prominent platziert wie dieser Tage. Harry Rowohlt machte in der bis zum 16. April laufenden Reihe "Lesetage selber machen - Vattenfall Tschüss sagen" den Anfang.

Im bis auf den letzten Platz gefüllten Uebel und Gefährlich offenbarte der Übersetzer und Kolumnenschreiber wieder mal, warum er in der Disziplin des vorgelesenen Worts ein Klassiker ist: Er kann nicht zwei Sätze lesen, ohne sich in den Erzählwald der Anekdoten, Histörchen und Pointen zu begeben.

Aus diesem Wald will der Sprössling einer der wichtigsten Verlegerdynastien natürlich gar nicht herausfinden. Das ist ja sein Konzept. Und so berichtet der Wandersmann von seinen Spaziergängen durch die Weltliteratur und den Literaturbetrieb. Man habe ihn mal den "Paganini der Abschweifung" genannt, aber auch schon den "Paganano (?) der Ausschweifung". Es durfte gelacht werden.

Vorgelesen wurde natürlich auch: aus von Rowohlt übersetzten Texten und natürlich aus Kolumnen. Über Politik, Vattenfall und dergleichen redete er nicht. Rowohlt ist eben nicht Günter Grass. Der liest bekanntlich am Sonntag vor dem AKW Krümmel und wird kaum an Spitzen sparen. Rowohlt bezog als Headliner der Lesetage-Gegenveranstaltung eher ungewöhnlich Stellung: "Ich muss aufs Schärfste dagegen protestieren, dass Tschüs mit zwei s geschrieben wurde. Das ist übelstes Quittjetum!"