Sacha Sperlings Pubertätsroman “Ich dich auch nicht“ zeigt schonungslos das Leben eines Teenagers zwischen Drogen, Sex und Parties.

Es gibt Romane, die brennen lichterloh, von der ersten bis zur letzten Seite. Ein solches Werk hat Sacha Sperling geschrieben, im zarten Alter von gerade einmal 16 Jahren. Der französische Bestsellerautor Frédéric Beigbeder jubelt "Ich dich auch nicht" im Klappentext zum "'Bonjour Tristesse' der heutigen Generation" herauf - was nicht nur Rezensentenohren klingen lässt, sondern durchaus seine Berechtigung hat.

Die Geschichte um den 14-jährigen Sacha, der rastlos durch seine Heimatstadt Paris taumelt und sich zwischen Drogen, schlechtem Rein-raus-Sex und Partys bis zum Morgengrauen aufreibt, an deren Ende sich Mädchen mit der Bastelschere die Pulsadern an den Handgelenken aufschneiden, erinnert in seiner Feier der jugendlichen Kaputtheit durchaus an den Roman der jungen Françoise Sagan. Auch Reminiszenzen an Salingers "Fänger im Roggen" sind nicht zu übersehen. Dies ist also eines jener seltenen Bücher, die man als Erwachsener problemlos lesen kann, ohne sich auf jeder Seite fragen zu müssen, was einen die Pubertätsnöte und Verirrungen eines Jugendlichen angehen, der auf die schiefe Bahn geraten ist. Endstation Sehnsucht. "Ich dich auch nicht" berührt durch die Unschuld, die Hilflosigkeit seines Helden, der laufend damit beschäftigt ist, Abgebrühtheit und Coolness vorzutäuschen.

Nicht weniger als das Unglück der ganzen Welt scheint Sacha - dürrer Körper, teigige Haut, das Gesicht versteckt hinter der Haarmatte - auf seinen Schultern zu tragen. Familie ist kein Trost, sondern allerhöchstens eine Parodie auf ebensolche, die Schule ein Albtraum. Antoine, sein Kumpel und Sexpartner, verfügt über das Einfühlungsvermögen einer hungrigen Raubkatze und hinterlässt verbrannte Erde, wo immer er auftaucht. Ein diabolischer Weggefährte. Wer würde da nicht am Sinn des Lebens zweifeln?

Chronische Übermüdung, ein Nicht-Dazugehörigkeitsgefühl und diffuser Weltekel sind Sachas ständige Begleiter, Zigarettenrauch umweht seine Wege durch die Pariser Nächte. An jeder Straßenecke wartet die nächste Party, die nächste Enttäuschung. Es ist das süße Gift der Jugend in all seinen Facetten, das der Autor in seinem Roman feiert. Jene Zeit, in der man aus dem Leben ein einziges langes Wochenende macht und gleichzeitig null Bock auf gar nichts hat. Lieblingsbeschäftigung: Traumkoma auf dem Sofa, die Kippen immer in Reichweite.

In stakkatoartigen Sätzen, manchmal nur hingeschleuderten Wörtern, zeichnet Sperling das kurze, rauschhafte Glück seines Helden und seine vielen Verletzungen. Die Dialoge würden in einem chinesischen Glückskeks Platz finden. Ja, ja, schon richtig, es passiert nicht wirklich viel in "Ich dich auch nicht" - allerdings macht dies genau den Reiz des unsentimentalen Pubertätsromans aus. Das monotone Dahinplätschern der Handlung entspricht Sachas Stimmungslage, seinem Gefühlszustand, "als hätte sich eine Glasscheibe zwischen mich und die Welt geschoben".

Ein Roman wie dieser braucht die Dunkelheit, um seine Geschichte voll entfalten zu können. Paris, die Seine, der Jardin du Luxembourg - all das offenbart sich nur von seiner Schattenseite, fernab der Touristenströme. Die Jugendlichen gleichen zombiehaften Gestalten, die die letzte Sommerhitze der Tage meiden wie der Allergiker die Katzenhaare. Wer "Ich dich auch nicht" liest, wird sich wieder erinnern an diesen ganz speziellen Sog der Nacht, an die Faszination jener Stunden nach Mitternacht. Und froh sein und gleichzeitig etwas sentimental, dass diese Zeit vorbei ist, ein für alle Mal.

Sacha Sperling, "Ich dich auch nicht". Aus dem Französischen von Carina von Enzenberg, Piper Verlag, 224 S. 13,99 Euro