Wer sich mit der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur beschäftigt, muss hart im Nehmen sein. Da geht es häufig um Themen wie Verwahrlosung, Vernachlässigung, Vergewaltigung, Kälte oder grobe Lieblosigkeit. Wer als Autor ausbricht aus diesen Mustern, wird gern des Kitsches bezichtigt. Die Literaturen anderer Völker haben da häufig mehr Glück. Birgit Vanderbeke, für ihr bitter-satirisches "Das Muschelessen" 1990 mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet, lebt seit Jahren in Südfrankreich und hat seitdem eine Sichtweise auf das Leben entwickelt, die eine mediterrane, heitere Gelassenheit verströmt. Man wartet nahezu auf jeder Seite auf irgendeine Katastrophe; etwa darauf, dass nun in der kleinen Familie, die wir in ihrem Text kennenlernen, sich alle zu verachten beginnen, das Paar sich nicht mehr liebt, betrügt oder äußere Feinde anrücken.

Es sind eine Menge Probleme zu bewältigen, aber Adam, die große Liebe der Ich-Erzählerin, macht nicht viele Worte, er nimmt Hammer oder Schaufel und macht sich an die Arbeit. Er ist nicht nur ein geschickter Handwerker, er lässt sich auch nicht einschüchtern von den Widrigkeiten auf seinem Weg. Adam mag nicht glauben, dass wir an den Zerstörungen und Bedrohungen nichts ändern können. Wenn in unserer Gesellschaft jeder an seiner Stelle versuchen würde, alles richtig zu machen? "Geschenkt. Getauscht. Und wenn das aufginge?" Birgit Vanderbeke ist ein Buch gelungen, das prall gefüllt ist mit Zweifel, Freude und Zuversicht. Und: Nein, es ist kein Kitsch.

David Gilmour hält in seinem Roman "Die perfekte Ordnung der Dinge" Rückschau auf die Niederlagen seines Lebens und wie er sich da wieder herausgewuselt hat, manchmal wie Münchhausen am eigenen Schopf aus dem Sumpf. Es ist eines dieser Bücher, die den Leser in einen Erzählsog hineinziehen. Er besucht Orte des Scheiterns und tastet sich an die schmerzhaften Stellen mit den blauen Flecken auf der Seele heran. Eine Passage handelt von einem Literaturkritiker, der ihn regelmäßig in der Zeitung zerpflückt und niedergemacht hat, und wie er das dringende Bedürfnis entwickelt, diesen Mann einfach zu verhauen. Gilmours selbstironischer, erstaunlich uneitler Umgang mit den eigenen Schwächen und Tragödien hat etwas Tröstliches.

Birgit Vanderbeke: "Das lässt sich ändern" . 160 S., Piper Verlag, 16,95 Euro

David Gilmour: "Die perfekte Ordnung der Dinge" . 256 S., S. Fischer Verlag, 18,95 Euro

In "Aufgeblättert" stellen im Wechsel Rainer Moritz (Literaturhaus), Annemarie Stoltenberg (NDR) und Wilfried Weber (Buchhandlung Felix Jud) Bücher vor.