Ai Weiwei festgenommen, Liao Yiwu an Ausreise gehindert. Bundesaußenminister Westerwelle setzt sich für sofortige Freilassung ein. Peking nennt Weiwei einen “Außenseiter“ - und scheint damit die Verhaftung begründen zu wollen.

Hamburg. China versucht derzeit, seine bedeutendsten Künstler mundtot zu machen. Auch wer bisher glaubte, aufgrund öffentlicher und internationaler Aufmerksamkeit einen gewissen Schutz zu genießen, wird jetzt immer stärker - und verfassungswidrig - ins Visier genommen. Man hindert sie am Kontakt mit Freunden, sperrt sie ein und hofft darauf, dass die Welt wegschaut und vergisst. Am Sonntag wurde in Peking der weltbekannte Künstler und Regierungskritiker Ai Weiwei festgenommen; er, dessen Haustür permanent von zwei Überwachungskameras gefilmt wird, ist am Flughafen von Shanghai festgenommen worden. Er wollte nach Hongkong und Taiwan reisen. Sein Atelier in Shanghai war erst vor Kurzem abgerissen worden.

Ai Weiwei, der Repressalien müde, hat jüngst verkündet, er wolle sich in Berlin ein zweites Standbein aufbauen, in Peking könne er kaum noch künstlerisch arbeiten. Dort wurden in seinem Studio jetzt 30 Computer beschlagnahmt. Außerdem fiel während der Hausdurchsuchung bei Ai Weiwei im ganzen Stadtviertel der Strom aus, damit niemand per Internet Nachrichten darüber verbreiten konnte. Außenminister Guido Westerwelle, gerade aus China zurückgekehrt, setzte sich für die sofortige Freilassung Ai Weiweis ein.

Drei Tage nach der Verhaftung des Künstlers und Regimekritikers Ai Weiwei haben Chinas Staatsmedien ihr Schweigen gebrochen und erstmals über den Fall berichtet. Der Bürgerrechtler sei ein „Außenseiter der chinesischen Gesellschaft“, hieß es in einem am Mittwoch in der Zeitung „Global Times“ veröffentlichten Kommentar. „Ai Weiwei tut Dinge, die sich andere nicht herausnehmen. Er ist nah an die rote Linie des chinesischen Rechts gekommen“, schrieb das englischsprachige Sprachorgan der Kommunistischen Partei.

Die Forderungen von Menschenrechtsgruppen und ausländischen Regierungen nach seiner Freilassung seien Ausdruck einer „rücksichtslosen“ Missachtung der Souveränität Chinas. Ai Weiweis internationale Unterstützer attackierten China mit schweren Vorwürfen, ohne die Wahrheit zu kennen.

Der weltweit bekannte Künstler Ai Weiwei, der sich auch häufig in Deutschland aufhielt, war am Sonntag von der Grenzpolizei am Flughafen Peking festgenommen worden und ist seither verschwunden, was internationale Proteste auslöste. Er wollte nach Hongkong fliegen. Am 29. April wollte er außerdem eine Ausstellung in Berlin eröffnen.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) wollte wegen des Falls noch am Mittwoch den chinesischen Botschafter in das Auswärtige Amt einbestellen – „damit unsere Botschaft klar und unmissverständlich die chinesische Regierung erreicht“, sagte er in Berlin. Ai Weiwei müsse umgehend freikommen und die Möglichkeit haben, seiner künstlerischen Arbeit weiter nachgehen zu können.

In Ai Weiweis Familie wächst unterdessen die Besorgnis. „Wir wissen nichts darüber, wo er im Moment ist“, sagte seine Schwester Gao Ge der Nachrichtenagentur dpa in Peking. „Wir wissen auch nicht, was die Polizei ihm vorwirft. „Wenn wir es wüssten, würde meine Mutter etwas weniger beunruhigt sein. Alles was wir tun können ist die Menschen zu bitten, uns zu helfen.“

Der Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo, Mitverfasser des Bürgerrechts-Manifests "Charta 08", soll aufgrund eines Willkürurteils noch bis 2020 im Gefängnis sitzen. 200 Aktivisten, die analog zu Tunesien zu "Jasmin"-Kundgebungen aufgerufen haben, stehen unter einer Art Hausarrest. Die Ehefrauen der beiden Künstler Liu Xiaobo und Ai Weiwei sind telefonisch nicht mehr erreichbar. Und auch der Schriftsteller Liao Yiwu wird wieder schikaniert; er darf, wie jetzt bekannt wurde, nun schon zum 16. Mal nicht frei ausreisen. Diesmal ging es um eine Lesereise nach Boston, New York und Chicago.

Für ihn setzt sich Wolf Biermann ein. Der Hamburger Schriftsteller und Liedermacher hat bis zu seiner Ausbürgerung aus der DDR im Jahr 1976 Verfolgung am eigenen Leib erfahren. "Seit unseren Konzerten in Hamburg und Berlin im vorigen Jahr weiß ich, dass die Funktionäre des modernen Turbo-KZ-Kapitalismus in China diesen Dichter schikanieren können, wieder einsperren oder töten. Mehr aber nicht. Seine Wahrheiten sind längst in der Welt", sagte er dem Abendblatt. Biermann hatte Liao während dessen erster Auslandsreise im September 2010 in Hamburg und Berlin kennengelernt.

Mag sein, dass die derzeitige Nervosität der chinesischen Gedankenpolizei arabische Wurzeln hat, mag aber auch sein, dass sie daher rührt, dass in Deutschland und den USA neue Veröffentlichungen von Liao Yiwus Werken anstehen. In Deutschland bringt der S.-Fischer-Verlag am 8. Juni sein Buch "Für ein Lied und hundert Lieder: Ein Zeugenbericht aus chinesischen Gefängnissen" heraus, eine bittere Chronik, die den letzten Rest Glauben an die Menschlichkeit erschüttert. Fischer wird auch das erste deutsche Buch mit Texten des Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo drucken. In Amerika soll Liaos Buch "God is Red" herauskommen.

Die Welt schaut eben nicht weg, sie vergisst auch nicht.