Thomas Gottschalk hat den Grimme-Preis für sein Lebenswerk bekommen. Und zwar zu Recht. Es wird nicht der einzige Preis bleiben.

Preise fürs Lebenswerk haben einen Makel. Lebenswerk, das heißt zwar Relevanz und Würde; bei der Verleihung schwingt aber auch ein Hauch von Nostalgie mit, von Abschied. Auch das Grimme-Institut hat so einen Ehren-Oscar im Programm, für "herausragende Verdienste um das deutsche Fernsehen". Am Freitag wurde er wieder verliehen. An einen, den das mehr als manch anderen überrascht haben dürfte: an Thomas Gottschalk.

Er hat ihn verdient.

Der fränkische Bub mit den babyblonden Locken mag kurz vorm 61. Geburtstag für öffentlich-rechtliche Verhältnisse vergleichsweise jung sein; die Bedeutung fürs Medium bleibt so unbestritten wie sein angekündigter Abschied. Er hätte auch ohne den Unfall Samuel Kochs bald mit "Wetten, dass ..?" Schluss gemacht, das hörte man ihn zuletzt oft sagen. Und es klang stets glaubhaft. Auch das dickste Fell scheuert sich schließlich irgendwann mal durch.

Als "ungeheuren Unfug" schalt der Satiriker Martin Sonneborn das, was Gottschalk einst geliebt, ja unsterblich gemacht hatte: "Wetten, dass ?". Doch es klang weniger bissig als resigniert, weil mal wieder viele Millionen Europas erfolgreichste Abendshow eingeschaltet hatten. Als "Großen Clown" verteidigte ihn dennoch die "Süddeutsche" bei einem nächtlichen Hoteltermin nach der vorletzten Sendung, die um den Wettkandidaten im Rollstuhl kreiste, Minute für Minute. Ein Clown, ein Kasper, ein Polarisierer. Gottschalk.

Der Name allein löst etwas aus im Publikum. Bissreflexe, Kuschelreflexe, selten Teilnahmslosigkeit. Mal Rettung, mal Untergang des Mattscheibenlands, aber unersetzbar, darüber ist sich Fernseh-Deutschland einig. Die Nachfolgersuche, sie läuft ins Leere. Wenn Namen wie Jörg Pilawa fallen, muss der Leidensdruck groß sein; wenn Matthias Opdenhövel als Favorit gilt, mündet er in Fatalismus. Gottschalk ist einzigartig. Er war es von Beginn an.

Die ganze TV-Karriere des Radiomannes zeugte von diesem Kapital: Alterslosigkeit. Als Anfänger wirkte er bei aller Chuzpe früh gereift, als Lustgreis im Operettenoutfit konserviert um die 30. Schon 1977 moderierte er seine erste Sendung mit jener schwiegersohntauglichen Lockerheit, die "Telespiele" in den Augen Älterer tolerabler machte. Zum Stenz gereift, kaschierte seine Schlagfertigkeit nicht nur die völlige Sinnleere des Durchbruchsformats "Na so was!", sie versöhnte Turnschuhe mit Manieren, Renitenz mit Respekt, Vergangenheit mit Zukunft. Und dann kam "Wetten, dass ..?", der Abendunterhaltung letztes Hochamt.

Thomas Gottschalk war so gesehen der Joschka Fischer des Fernsehens ohne Putzgruppe und Staatsflugzeug. Beide verstörten, spalteten, unterhielten schon als Junioren und formten daraus im Seniorenalter Machtfaktoren, die sie unantastbar machten, aber eben auch verehrt, gehasst, alles zugleich. Elder Statesmen mit Narrenfreiheit auf verschiedenen Bühnen, beim einen die Welt, beim anderen deren Leitmedium. Dürfte man persönlich wählen - sie wären beide weiter im Amt. Zum Raufhauen, zum Anhimmeln.

Das muss man aushalten können. Thomas Gottschalk konnte, auch wenn er nun nicht mehr können will. Dafür, fürs Durchhalten, fürs Aushalten, gibt's jetzt den Lebenswerkpreis. Es wird nicht der letzte sein.