Erst Kino, dann Lindy Hop tanzen. Der amerikanische Cineast Dennis Nyback zeigt seine Filmschätze im Metropolis

Savoy. Es beginnt ganz langsam, fast verhalten: Ein Pianist und ein Bassist swingen leise vor sich, ein Trompeter kommt hinzu, kurz darauf ein Klarinettist. Immer lauter und mitreißender wird die Musik, eine Posaune röhrt, und als ein Schlagzeuger mit entrücktem Gesicht die tiefen Trommeln traktiert, hält es das erste Paar nicht mehr auf den Sitzen. Die Tänzer werfen ihre Beine förmlich von sich, hüpfen umeinander herum, zwischendurch ein Salto rückwärts über den Rücken des Partners. Immer mehr Paare kommen hinzu, immer frenetischer wird die Musik, immer höher das Tempo, immer unübersichtlicher das Gewusel. Und nach fünf Minuten ist der Spuk vorbei.

Die Szene stammt aus "Hellzapoppin'", eine der verrücktesten Komödien Hollywoods; der Tanz heißt Lindy Hop. Lindy Hop ist verwandt mit dem Swing, seine Wurzeln liegen im Charleston und Stepptanz. Ein energiegeladener Tanz, bei dem Spaß an der Harmonie, Lust an der Bewegung, Faible für Improvisation, Freude an der Musik, aber auch am Partner im Vordergrund stehen. Mann und Frau halten sich hier nämlich ordentlich aneinander fest, auch wenn die Fliehkräfte sie auseinandertreiben.

Der Abend nimmt eine der wohl schönsten Ideen von Kino auf

Und ja: Ja, Lindy Hop hat auch mit Sex zu tun. Wer so leidenschaftlich miteinander tanzt, geht vielleicht auch anschließend gemeinsam für andere Zweisamkeiten nach Hause.

Der amerikanische Filmsammler Dennis Nyback, der Anfang Dezember 2010 bereits zwei schöne Hobo-Abende im Metropolis gestaltete, hat wieder in seinem Archiv gekramt und präsentiert nur noch selten zu sehende 16-mm-Filme, in denen der Lindy Hop - auch als Jitterbug bekannt - den Beat vorgibt. Der Abend beginnt mit "Hellzapopin'", jenem abgefahrenen Spaß über die Dreharbeiten zu einem Film, der in den 80er-Jahren in Deutschland zu einem Programmkino-Hit avancierte. Auf die Frage des Hamburger Filmjournalisten und Mitorganisators dieses Wochenendes, Volker Hummel, wie denn die eingangs beschriebene unglaubliche Lindy-Hop-Szene konzipiert worden sei, ist sogar Filmkenner Nyback ratlos. "Ich habe keine Ahnung. Menschen, denen ich sie gezeigt habe, sind überzeugt, dass die Bewegungen durch die Kamera beschleunigt wurden. Die Leute können einfach nicht glauben, dass das, was sie sehen, wirklich möglich ist." Ist es aber. Und staunend sitzt man im Kino.

Bereits im Dezember hat sich Nyback bei der Vorstellung seiner Filmschätze als Entertainer erwiesen, der auch schon mal ein Lied singt oder lakonische Witze erzählt. Komplett wird der Gegenentwurf zum Sammler-Nerd durch die Tatsache, dass er ein leidenschaftlicher Jitterbugger ist. Auch darum wird im Metropolis nach dem Kinogenuss mithilfe der Swingwerkstatt Hamburg getanzt, was das Zeug hält. Lindy-Hop-Filme sind nun mal nichts für Stubenhocker, und vielleicht ist dies ja eine der schönsten Ideen von Kino überhaupt: dass das, wobei man gerade noch zugeschaut hatte, sich anschließend in die Tat umsetzen lässt.

Nyback, der bei seinen Touren durch Europa seine Filme im Rucksack mit sich herumträgt, hatte noch Stauraum für ein, zwei Filmrollen mehr. Und darum gibt es am Sonntag zwei Filmblöcke, die sich mit den Auswirkungen von Dada und Surrealismus auf das Hollywood-Kino der 30er-Jahre beschäftigen. Das klingt akademischer, als es ist. Denn die Spielfilmausschnitte, die Nyback vorstellt, zeigen nicht nur, dass sich Regisseure wie Ernst Lubitsch und Busby Berkeley oder Komiker wie W.C. Fields und die Marx-Brother mit ihren verrückten, manchmal abgefahrenen Ideen vom Surrealismus beeinflusst zeigten - sie machen verdammt viel Spaß.

Höhepunkt des Abends sind die beiden Buster-Keaton-Filme "One Week" und der urkomische "The Navigator". Köstlich, wie Buster Keaton hier mit der Tücke des Objektes kämpft und dafür von den Surrealisten bewundert wurde, wie Nyback bestätigt: "Buster verströmte eine existenzielle Aura, so als wäre er gar nicht Teil der Realität oder der Natur, sondern würde gegen sie kämpfen - wie ein Mann, der sich gegen das ganze Universum stellt."

Komödien, heute noch so modern wie damals. Manche Filme altern einfach nicht.

Dennis Nyback präsentiert "Eine Nacht im Savoy", Sa 2.4., ab 18.00, "Der surrealistische Sonntag", So 3.4., ab 19.00, Metropolis im Savoy (S/U Hbf), Steindamm 52-54, Eintritt jeweils 6,-; Infos im Internet: www.metropoliskino.de und www.swingwerkstatt.de