Der deutsche Pianist Yorck Kronenberg ehrt Bach und Beethoven mit einem außergewöhnlichen Soloabend

Hamburg. Es gehört einiger Mut dazu, einen Klavierabend allein mit Titanen der Musikgeschichte wie Bach und Beethoven zu bestreiten und auch noch einige ihrer bekanntesten Werke aufs Programm zu setzen. An dem Anspruch eines solchen Vorhabens ist schon mancher Pianist gescheitert, auch wenn er noch so sehr in Hochglanz und bunt angekündigt worden war.

Und dann kommt einer mit einer mehr als handgestrickten Präsentation (diese Plakate! dieses Programmheft!) in den kleinen Saal der Laeiszhalle und erinnert mal eben daran, worum es bei einem Konzert wirklich geht. Der Pianist Yorck Kronenberg hat mit seinem Sonatenabend ein Hochamt des kompromisslosen Kunstverständnisses gefeiert. Es fand sich nichts an seinem Auftritt, das nicht der Musik geschuldet gewesen wäre: Keine Verbeugung, kein Abtreten zu viel, und für die Garderobe musste schwarzer Anzug mit schwarzem Hemd genügen.

Vor allem aber, und nur das zählt, zeigte sich Kronenberg als vollkommen eigenständiger Interpret, keiner Mode und keiner Zeitströmung unterworfen. Bachs Chromatische Fantasie und Fuge d-Moll nahm er mit einem milden, mitunter ein wenig diffusen Ton ganz ohne die gleißende Brillanz des amerikanisch beeinflussten Klangideals, das man bei Kollegen häufig heraushört. Das Zeitmaß hielt er auch in der metrisch freien Fantasie recht streng ein; die Mehrstimmigkeit des Satzes kehrte er nicht heraus, sondern verlieh ihr etwas Selbstverständliches - als hätte er es nicht nötig, den Raffinessen historisch informierter Cembalisten nachzueifern. Und die ausgedehnte Fuge hielt er in einem Spannungsbogen zusammen, den man förmlich greifen konnte.

Das Publikum war hörbar beeindruckt. Um so beschämender war es andererseits, wie ungeniert die Leute sich räusperten, in Anfänge hineinredeten, das Gestühl knarzen und Gegenstände zu Boden fallen ließen - Hörrohre, Löffel, Schlüssel? Vor Getrappel beim Nacheinlass langte Kronenberg beim Anfang von Beethovens Waldstein-Sonate gehörig daneben. Aber dann malte er das Stück so vielfarbig und atmosphärisch aus, als wäre der Titel Programm für eine Naturschilderung und nicht ganz schnöde der Name des Widmungsträgers: Vom Gewitterausbruch bis zu morgendlicher Nebelstimmung reichte die Palette. Dass hin und wieder ein Ton wegblieb, dass bei Kronenbergs Anschlagskultur nicht alle raschen Notenwerte mit letzter Schärfe zu verstehen waren, fiel da nicht ins Gewicht.

Bei Bachs Goldberg-Variationen nach der Pause schien Kronenberg dann richtig angekommen zu sein. Jede Variation hatte ihren eigenen Charakter, von der Weltferne der großen g-Moll-Variation bis zum Jazz-, nein, Rockduktus der schnellen Teile. Und die innige Aria, Anfang und Ende des Werks und Schlusspunkt des Konzerts, schien die ganze Welt in sich zu bergen. Bachs - und Kronenbergs.