Ich sag mal: Die Weinmacher haben eine eigene Sprache erfunden, die an Lyrik grenzt

Man will ja nicht immer nur meckern oder schulmeisterlich herumdoktern an unserem Sprachgebrauch; das bringt ohnehin so gut wie nichts. In dieser Zeitung habe ich neulich gelesen, dass Orthografie und Grammatik "durch den Schleuderwaschgang des täglichen Sprachgebrauchs" gejagt werden. Das ist eine treffende Formulierung, der allenfalls hinzuzufügen wäre, dass es letztlich doch der Sprachgebrauch ist, der darüber entscheidet, was "richtig" oder was "falsch" ist.

Betrachten wir lieber den kreativen Umgang mit der Sprache; den gibt es nämlich auch, nicht nur im verhunzten Papierdeutsch der Ämter. Können Sie zum Beispiel den Geschmack eines Weines korrekt beschreiben? Die Önologen, die Weinmacher, haben dafür einen eigenen, an Lyrik grenzenden Umgang mit Sprache erfunden.

Man beginnt mit der "Robe", nein, nicht dem Etikett auf der Flasche, sondern mit der Farbe des Weins. Da bleiben die Bezeichnungen noch relativ konventionell. Dann aber kommt die "Nase" - also das, was passiert, wenn Sie die Ihre ins Glas stecken. Dies etwa: "Feinsinnig das Bouquet mit Brombeere, Lorbeer, Kaffee, edlem Tabak, begleitet von einer Idee Eiche und Eukalyptus." Oder: "Im Bouquet marmeladige, rote und schwarze Fruchtnoten, Kräuter der Garrigue, Blumen und süße Gewürze."

Entscheidend ist natürlich, was dann "am Gaumen" passiert, zum Beispiel: "Am Gaumen die Balance von Eleganz und Volumen und ein passendes, gut eingebautes Tanninrückgrat." Oder: "Am Gaumen fleischig und seidig, aber gleichzeitig vollmundig, mit schöner Dichte, samtigen Tanninen und fabelhafter Länge." Können Sie folgen?

Aber das Beste kommt noch. Ich habe vor Kurzem mal den Vorzug gehabt, einen sehr teuren Jahrgangschampagner geschenkt zu bekommen, Dom Perignon, Vintage 2000, mit einem mehrsprachigen, von Pierre Perignon handsignierten Büchlein, in dem ich dann nachlesen konnte, was ich geschmeckt habe. Dies nämlich: "Frisch, kristallkar auf den Punkt: das erste Bukett offenbart eine ungewöhnliche Dimension. Noten aus der Welt der Pflanzen und des Wassers mit einem Anflug von weißem Pfeffer und Gardenie. Dann macht sich die Reife des Weins bemerkbar, zuerst sanft und mit Leichtigkeit, dann mit einem Hauch von Torf. Der Geschmack ist überwältigend. Auftakt zu einer Vollmundigkeit, die sich komplex am Gaumen ausbreitet und immer sinnlicher wird. Nuancen von Anis und getrocknetem Ingwer verbinden sich mit Birne und Mango, die eher fest als reif sind. Das Finale erreicht seinen Höhepunkt, bevor es abklingt, geschmeidig, ausgereift, allumfassend."

Na dann: Prost!