Mit ihrer Band Mobylettes transportiert Diana Diamond den Sound der sechziger Jahre ins Heute - auch auf ihrem neuen Album “Immer schlimmer“

Hamburg. Es gibt diesen Trick im Film. Wenn die Menschen im Zeitraffer umhereilen. Und nur eine Person in der Mitte bewegt sich ganz langsam. Ein ruhender Pol, resistent gegen die Hektik des Augenblicks. Wenn Diana Diamond einen Raum betritt, entsteht dieses Gefühl unmittelbar. Ihre Kleider sind schlicht, ihr Haar trägt sie hochgesteckt. Unweigerlich werden Gedanken an Audrey Hepburn wach. Um direkt wieder zu verschwinden. Denn Diana Diamond ist, wie der Künstlername unterstreicht, ihre eigene Persönlichkeit.

Mitte der 90er war die Sängerin mit ihrer Band Mobylettes angetreten, dem Soul der Girl-Bands und dem Sound alter Kinoklassiker zu huldigen. Und auch ihre neue, vierte Platte, "Immer schlimmer", ist eine Hommage für die geschmackvollen Arrangements der Sixties. Eine Ära, der Diamond jedoch nicht aus purer Nostalgie treu ist.

"Der Reiz ist doch gerade, damit als Kontrast zur heutigen Zeit zu spielen", sagt sie und nippt an ihrem Sekt in der Bar des Hotels Reichshof. Doch es ist nicht nur das Äußere, das die Hamburgerin so zeitlos wirken lässt, es ist ihre Aura. Wenn sie raucht, scheint das keine Sucht zu sein, sondern eine Lebensphilosophie. Die Zigarette wird zum Instrument, um den Film des Lebens für ein paar Züge anzuhalten. Diese Stimmung fängt auf dem aktuellen Album unter anderem der Song "E = Mc2" ein. Eine Entschleunigungsnummer im leichten Bossa-Nova-Stil, in der Diamond singt: "Wie schnell da draußen die Welt sich dreht / und ich komm überall zu spät, zu spät, zu spät".

Ein gedehntes Verhältnis zu Jahr und Tag kommt auch in der Produktion von "Immer schlimmer" zum Ausdruck. Zwölf Jahre hat es gedauert, bis die Mobylettes jetzt wieder einen neuen Tonträger vorlegen. "Wir haben entspannt den Moment abgewartet, an dem wir wieder richtig Lust hatten, zusammen zu spielen", sagt Diamond mit tiefer Stimme. Und die 13 Songs, die sie gemeinsam mit Gitarrist Peter Weiss, Bassist Max Knoth, Erich Abel an Orgel und Piano sowie Axel Jansen am Schlagzeug geschaffen hat, sind von nostalgischem Charme und dennoch nicht gestrig.

In ihren Texten erzählt Diamond mit abgeklärter Ironie und zugleich mit sehr viel Herz von Beziehungen und Abschieden, Selbstzweifeln und Zwängen. "Es geht mir hauptsächlich darum, sich dabei zu ertappen, wie lächerlich und übertrieben die eigenen Gefühle und Gedanken oft sind", erklärt sie. Und ergänzt: "Ich will menschliche Dinge beschreiben, nicht Frauensachen." Sie lacht. Und schlägt die Augenlider mit dem schön geschwungenen Eyeliner auf und nieder. Was gefühlt eine Minute dauert. Wieder so ein Zeitlupeneffekt.

Trotz ihres konzentrierten Auftretens ist Diamond keine, die dichtmacht im Gespräch. Offen spricht sie über ihre Lieder. Aus eigener Betroffenheit zu schreiben, ohne zu schwülstig zu werden, sei ihr nicht leicht gefallen. "Der Song 'Bleib nicht stehen' zum Beispiel ist aus dem Blickwinkel einer Person geschrieben, die sich selbst stark bemitleidet", sagt sie. Und schweigt dann ein wenig. Mit Diamond gelingen sie gut, solche Pausen. Der Barpianist schickt seine Melodie herüber. Der Film kann auch mal ohne Dialog weiterlaufen.

Mit den Worten wiederum, die sie für ihre Stücke findet, gelingt es ihr äußerst elegant, Emotionen auszuloten, fein zu persiflieren und all die Haken darzulegen, die die liebe Liebe schlägt. Ihre Verse sind zwar auf Deutsch, doch wer an Schlager denkt, steckt in einer sehr weit entfernten Schublade. Eine Idee ihrer geistigen Wurzeln liefert die musikalische Geschichte Diamonds. Bis 1992 frönte sie unter dem Pseudonym Nixe zusammen mit Knarf Rellöm und Bernadette Hengst in der Hamburger Band Huah! dem Querdenken. Ein Album hieß "Scheiß Kapitalismus".

In stereotyp zerrissenen Punk-Outfits wird man Diana Diamond aber nicht sehen. Das Mondäne ist ihr Metier. "Dieser formale Stil betont die Weiblichkeit, ohne das als Schwäche zu präsentieren", sagt sie. Nach dem Gespräch geht sie vor die Hoteltür und raucht. Wie schnell sich dort die Welt dreht.

Mobylettes live 5.5., Café Keese; das Album "Immer schlimmer" ist bei Tapete Records erschienen