Die Puppenspieler Lovefuckers aus Berlin präsentieren eine Polit-Satire über Gaddafi beim Freischwimmer-Festival.

Kampnagel. Puppenspiel kann auch politisch sein. Es ist nicht nur Kasperlespiel, Kinderspaß mit Märchenfiguren, komisches oder poetisches Bildertheater mit Musik und skurrilen Objekten. Die Kunst des Puppenspiels ist auch für Erwachsene gedacht. Das ist nichts Neues, in vielfältigen Formen hat es sie immer gegeben. Doch eine neue Generation von Puppenspielern erweckt mit ausgefallenen Themen und frischen Ideen Aufmerksamkeit.

Das Berliner Kollektiv Das Helmi macht mit seinen frechen und schrägen Performances seit einigen Jahren Furore und wird auch außerhalb der fachspezifischen Festivals international eingeladen. Die französisch-österreichische Regisseurin und Puppenspielerin Gisèle Vienne hat bereits mit dem kleinen, beklemmenden Solo "Jerk" und groß angelegtem Musik-Bildertheater auf Kampnagel beeindruckt. Ab heute gastiert in der Kulturfabrik erstmals das Frauenduo Lovefuckers beim Freischwimmer-Festival. Ivana Sajevic und Maria Menzel bringen in ihrer Polit-Satire "King of the Kings" den libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi auf die Bühne.

"Wir nehmen uns abgründige Themen vor", erklärt Sajevic, die wie ihre Mitspielerin Menzel Absolventin des Studiengangs Puppenspielkunst an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" ist. Sie haben bereits erfolgreich eine Musiktrash-Show "Pieps! Du kleiner Vogel!" über Serienmörder herausgebracht und präsentieren nun den grotesken Politthriller über Gaddafi. "Mich beschäftigt das Phänomen seiner Inszenierungskunst und Personalkults seit etwa zwei Jahren", sagt die Regisseurin. Er sei ein Paradebeispiel für politische Performancekunst, die in gewissem Sinn alle Machthaber beherrschen müssten. "Gaddafi hat sich vom ,friedlichen' Terrorunterstützer zum Despoten entwickelt, ist nun 40 Jahre an der Macht und hält noch immer alle Fäden in der Hand, obwohl er offiziell kein Amt bekleidet."

1969 hatte der "Revolutionsführer" aus der Wüste König Idris vom Thron geputscht, brachte sich und seinen korrupten Clan an die Macht und etablierte sich als Alleinherrscher, der von einem islamisch-sozialistischen Reich träumt. Für seine Anhänger und militärische Gefolgschaft ist Gaddafis politisches Manifest "Das grüne Buch" so etwas wie die rote "Mao-Bibel". Und sein Autor ein Retter, der derzeit sein Volk gegen einen Angriff von außen beschützt.

Menzel und Sajevic benutzen das "grüne Buch" und sind zugleich Bodyguards und Führer der eineinhalb Meter großen Puppe des "Heiligen Kriegers", der als Märtyrer sterben und in die Geschichte eingehen will. Sie gehören quasi zu Gaddafis weiblicher Leibgarde von 40 Jungfrauen, für die es ein Ausbildungslager in Tripolis gibt. Verstärkung bekommt das Puppenspielerinnenduo im Kampf mit dem "King" von einem Live-Musiker, Schauspieler und Videokünstler. "Wir führen ihn als eine Polit-Pop-Ikone vor, als die er für die Presse und die Weltöffentlichkeit agiert hat." Und demontieren den Popanz als Hanswurst der selbstherrlichen Macht.

Am Schluss des Stücks wollten die Spieler den Aufstand gegen ihren König ausrufen und ihn stürzen. "Die Wirklichkeit hat uns aber bei den Proben überholt, wir mussten unseren Revolutionsschluss streichen. Aber wir bauen kleine Querverweise auf die aktuelle Situation ein." Manchmal ist die Fantasie der Künstler der Realität um einige Schritte voraus.

Lovefuckers: King of the Kings Di 29.3. u. 30.3., 21.00, Kampnagel (U Borgweg, Bus 172/173 Jarrestr. 20), Karten zu 12,-, erm. 8,- T. 27 09 49 49