Das Kammerensemble Neue Musik Berlin war zu Gast im Bucerius-Kunst-Forum und bezog sich mit seinem Konzert auf die Richter-Schau.

Hamburg. Wer die verwischten Bilder des Malers Gerhard Richter sieht, die er nach Fotovorlagen aus Illustrierten und Magazinen der 60er- und 70er-Jahre gemalt hat, der muss wissen, welch erschütternde Bewandtnisse es damit hatte - die Bilder selbst verraten sie nicht.

Im Bucerius-Kunst-Forum hat gerade das Kammerensemble Neue Musik Berlin ein Programm gegeben, das sich raffiniert auf die gerade laufende Richter-Ausstellung bezog - und mit einem Werk begann, das einen eisernen, aber nicht offensichtlichen Aktualitätsbezug hatte: Luigi Nono hat in den 60er-Jahren Geräusche aus einer Fabrik und Gespräche über die dortigen Arbeitsbedingungen mit Gesangspassagen zu einer Tonspur für "La fabbrica illuminata" zusammengeschnitten. Die Sopranistin Lisa Fornhammar schien den Saal alleine zu füllen, so organisch verband sich ihre Stimme mit dem Band.

In "Dal niente" von Helmut Lachenmann erzählte der Klarinettist Winfried Rager eine Geschichte, er ließ es seufzen, rauschen und quieken und sogar mal echte Töne spielen. Und Lachenmanns "temA" für Flöte, Stimme und Violoncello verwandelte Alltagsgeräusche in Musik. Da würgte die Altistin, als wäre sie beim Zahnarzt, und die Cellistin rieb die Bogenhaare quietschend auf dem Cellokorpus. György Ligetis "Aventures" trieben dieses Spiel auf eine virtuose Spitze. Drei Sänger, assistiert von einem reichen Instrumentalsatz, schnatterten und hibbelten in einer Kunstsprache aneinander vorbei, dass es eigentlich bodenlos traurig war - hätten die Beteiligten das Ganze nicht mit so viel szenischem Gespür und - ja doch - Witz versehen. Wer hat gesagt, dass Neue Musik immer bierernst sein muss?