Neben Stars wie Lena, Unheilig, Kings Of Leon und Take That ist der Hamburger für den Musikpreis Echo nominiert, der heute vergeben wird.

Hamburg/Berlin. Da gab es diese eine Zeile, vor ziemlich genau zehn Jahren, die Kristof Schreuf berühmter gemacht hat, als er vorher war. Nicht Robbie-Williams-berühmt. Oder auch nur Udo-Lindenberg-berühmt. Aber viele Hörer des Blumfeld-Albums "Testament der Angst", das damals Platz sechs der deutschen Charts belegte, fragten sich 2001 immerhin: Wer ist dieser Kristof Schreuf? Jochen Distelmeyer, Sänger der Hamburger Band, hatte ihn in seinem Song "Anders Als Glücklich" ein kleines lyrisches Denkmal gesetzt: "Anders als glücklich / hat Kristof Schreuf gesagt", lautete die Zeile, mit der Schreuf zum Liedgut wurde.

Und dann gab es wiederum jene Hörer, die wissend nickten, als der Name in dem Blumfeld'schen Stück fiel. Die, die verfolgt hatten, welch immensen Einfluss der gebürtige Frankfurter mit seiner Band Kolossale Jugend auf die viel zitierte Hamburger Schule hatte. Auf jene Musikströmung, die der weichgespülten Neuen Deutschen Welle Ende der 80er mit diskursiven Texten ein hartes Brett entgegenstemmte.

Schreuf ist ein Künstler, der vor allem die Augen jener Menschen leuchten lässt, die gern in den Tiefen des Pops fachsimpeln, über diesen schreiben oder ihn produzieren. Und daher verwundert es kaum, dass der Hamburger beim Echo nun für den "Kritikerpreis national" nominiert ist. Die meisten anderen Kategorien speisen sich aus den Ergebnissen, die die Verkaufscharts liefern. Die Volkssängerinnen Andrea Berg und Lena sind dabei. Die Männergruppen Take That und Kings Of Leon ebenfalls. Sie alle haben Millionen Tonträger abgesetzt. Schreuf hingegen ist keine Cashcow. Er ist Querdenker.

2003 wurde er von Iris Radisch für den Bachmannpreis vorgeschlagen und las den Text "Wahrheit ist das, wovon Männer gerne behaupten, dass es ihnen um sie geht". Mit seiner 1995 gegründeten Formation Brüllen veröffentlichte er wenig mainstreamkompatible Verse wie "statt dem freien Fall / gibt es etwas, das runterzieht". Der Name der Band war vor allem live Programm.

Es ist schön, sich vorzustellen, wie sich dieser Mann, Jahrgang 1963, heute bei der Echo-Verleihung in Berlin durch die Parade der ökonomisch legitimierten Stars bewegen wird. Mit seinen dunklen Locken, die ihm etwas Löwenartiges, auch Dickköpfiges verleihen, wirkt er wie die Antithese zum Favoriten des Abends, dem akkurat wie absurd rasierten Grafen der Pathospopper Unheilig. Vielleicht gesellen sich einige Mit-Nominierte aus der Kritikerkategorie zu Schreuf. Christiane Rösinger etwa, die so herrlich nölige Anti-Liebeslieder singen kann. Vielleicht stellt er sich aber auch einfach mit einem Bier in die Ecke und beobachtet, wie Die Atzen auf Adele treffen oder Bon Jovi auf Matthias Reim. Über diese Momente könnte er einen Artikel schreiben, wie er es mitunter für die "taz" oder die "Spex" tat. Doch diesmal ist er Teil des Zirkus.

Die ARD überträgt live. Und zu hoffen ist, dass sich einige Zuschauer fragen werden: Wer ist dieser Schreuf? Eine Antwort findet sich auf seinem sehr zu empfehlenden Soloalbum "Bourgeois With Guitar" (2010). Kongenial und mit sanfter Stimme verquickt er Texte bekannter Songs mit klassischen Rock- und Pop-Melodien. So gesellen sich etwa die Worte von The Whos "My Generation" zu der Musik von Simon & Garfunkels "Scarborough Fair". Das Titelstück allerdings stammt aus Schreufs Feder und charakterisiert ihn selbst: "Ich sehe aus wie ein Mensch / damit man mich erkennt / aber vom Kopf bis zu den Zehen / bin ich ein Riss / ich will durch Wände gehen." So einer ist das.