Nur ein Mittel zum Zweck? Vom Federkiel zum edlen Füller - lesen Sie hier eine kleine Kulturgeschichte der bedeutsamen Schreibgeräte.

Hamburg. Wer schreibt, der bleibt. Aber womit geschrieben wird, das ist oft recht flüchtig. Das betrifft nicht nur den historisch bedeutsamen Füllfederhalter des früheren Bundesaußenministers Hans-Dietrich Genscher, den Diebe am 11. März gestohlen haben (siehe unten), sondern überhaupt die meisten Schreibgeräte, mit denen im Lauf der Geschichte wichtige Texte verfasst worden sind. Während die Manuskripte vielfach erhalten blieben und in Archiven verwahrt werden, fehlt von den Schreibgeräten meist jede Spur. Sie waren nur Mittel zum Zweck, Arbeitsgeräte ohne besondere Aura.

Noch bis Mitte des 19. Jahrhunderts war der Federkiel das üblichste Schreibgerät. Der Verbrauch war hoch, die vielen Federkiele, mit denen zum Beispiel Schiller den "Don Carlos" hingekratzt hatte, wurden nicht aufbewahrt, sondern landeten regelmäßig im Hausmüll. "Die Tinte macht und wohl gelehrt, doch ärgert sie, wo sie nicht hingehört", meinte Goethe, der sich über die Unzulänglichkeit dieser Kleckse verursachenden Schreibmethode ärgerte - und es daher bevorzugte, zu diktieren.

Einen solchen Luxus konnten sich die meisten seiner Kollegen nicht leisten, daher gehörten für Schiller, Heine, Herder oder Börne Gänsekiele zu den üblichen Schreibpultutensilien.

Auch wenn die Gänsekiele durch Glasfedern und durch die seit 1803 in England serienmäßig produzierten Stahlfedern ersetzt wurden, kam erst mit der Entwicklung des Füllfederhalters ein auf Dauerhaftigkeit angelegtes Schreibgerät auf den Markt.

1884 meldete der Amerikaner Lewis Edson Waterman den Füllfederhalter zum Patent an. Aber da etwa zur selben Zeit die erste serienmäßig hergestellte Schreibmaschine aufkam, bedienten sich viele Schriftsteller schon bald dieser Technik. Friedrich Nietzsche war vermutlich der erste Philosoph, der seine Texte auf einer Schreibmaschine tippte.

Dem Siegeszug des Füllfederhalters tat das keinen Abbruch. Er stieg Anfang des 20. Jahrhunderts zum wichtigsten Schreibgerät auf, das oft aufwendig hergestellt wurde und den Charakter eines Luxusgegenstands erlangen konnte. Wenn auch längere Texte und amtliche Dokumente immer häufiger mit Maschine geschrieben wurden, war der Füllfederhalter zumindest für die Unterschrift unverzichtbar. Diplomaten und Staatsoberhäupter unterzeichneten Verträge stets mit kostbaren Füllern, von denen manche heute als historische Reliquien in Museen verwahrt werden: So besitzt das Haus der Geschichte der Bundesrepublik in Bonn das Federhalter-Set der Firma Soennecker, mit der Konrad Adenauer und die Länderministerpräsidenten am 23. Mai 1949 das Grundgesetz unterzeichnet haben. Und im Deutschen Historischen Museum Berlin werden die Füllfederhalter von einstigen DDR-Größen wie Wilhelm Pieck und Otto Grothewohl aufbewahrt - edle Schreibgeräte, die ihre Besitzer dennoch nicht zu langem Nachruhm verholfen haben.