Regisseur François Ozon legt nach diversen Charakterstudien mit “Das Schmuckstück“ eine Komödie vor, dabei ist Catherine Deneuve.

Hamburg. Die Welt gehört den Lauten und Schrillen. Sie setzen sich leichter im Gedächtnis fest als Künstler, die der Welt ihre Zwischentöne abhorchen. Jeder erinnert sich noch an das singende, von Emmanuelle Béart hinreißend verkörperte Dienstmädchen in François Ozons erfolgreicher Hitchcock-Komödie "8 Frauen" (2002). Ähnlich wird es mit der im roten Trainingsanzug joggenden und mit den Eichhörnchen im Wald plaudernden Catherine Deneuve in seinem neuen Werk "Das Schmuckstück" sein.

Es liegt eine gewisse Schizophrenie im filmischen Wirken von Ozon, dem Hamburger Douglas-Sirk-Preisträger von 2004. Er gilt als einer der wichtigsten europäischen Autorenfilmer der Gegenwart. Sein größter Erfolg, "8 Frauen", war eine auf den ersten Blick exzentrische Komödie, die unter einer Oberfläche aus wild gemusterten Retro-Kostümen, Toupierfrisuren und penibel ausgesuchten Dekors sehr subtil von gesellschaftlichen Schieflagen erzählt. Das Lachen über das unbarmherzige Leben ist jedoch nur die eine Passion des François Ozon.

Die andere gehört elegant und wortkarg in Szene gesetzten Odysseen durch Liebe, Hass und Tod. In "Unter dem Sand" (2001) meditierte er über Verlust und Trauer. Charlotte Rampling glänzte als 50-jährige Frau, deren Ehemann zum Schwimmen ins Meer geht und nie mehr zurückkehrt, woraufhin sie ein ausgeklügeltes Selbstbetrugssystem etabliert. In dem Thriller "Swimming Pool" (2003) drehte Ozon erneut mit Rampling, die als Krimiautorin mit Schreibblockade Realität und Fantasie nicht mehr auseinanderhält.

Zuletzt wurden seine Charakterstudien immer extremer. Doch so fragwürdig auf den ersten Blick manche seiner Einfälle erschienen, geradlinig erzählt waren sie immer. Sogar das geflügelte Baby, das in "Ricky" (2009) seine Eltern kichernd vom Schrank herab narrt: eine befremdende Metapher für die latente Bedrohung Schutzbefohlener. Oder die junge, schwangere Drogenabhängige, die in "Rückkehr ans Meer" (2010) die Mutterliebe konsequent verweigert, aber in einer Beziehung zum homosexuellen Bruder des toten Kindsvaters neuen Halt und einen Ersatzerzieher findet. Immer wieder überrascht Ozon mit Wundern inmitten der menschlichen Katastrophe. Er beschönigt nichts. Aber er verweigert seinen Zuschauern auch nicht den ersehnten Funken Utopie. Häufig rückt er starke Frauen ins Zentrum. Die Männer sind tot, abwesend oder auf der Suche nach ihrer Identität.

Zwar ist "Das Schmuckstück" wunderbar überdreht erzählt, es ist aber nur auf den ersten Blick eine Ausstattungsorgie mit angehängter Ehekrise. Catherine Deneuve mutiert eindrucksvoll und gegen den Widerstand der Familie vom vasengleichen Schmuckstück zur Firmenchefin und sogar zur Lokalpolitikerin. Am Ende, wenn die neu Emanzipierte "C'est Beau La Vie" singt, ist die Welt wieder ein wenig besser geworden.

Das Schmuckstück: ab Donnerstag im Kino, lesen Sie dazu am Donnerstag auch eine Filmkritik in Hamburg LIVE; www.schmuckstueck-derfilm.de