In der Markthalle haben Metaller die Rückkehr von Psychotic Waltz gefeiert
Hamburg. Wenn harte Männer weinen, dann aus gutem Grund. Der Abstieg des Lieblingsvereins ist so einer, die Geburt des ersten Kindes auch - und die Reunion einer Band, deren Platten die eigene Jugend geprägt haben und die 14 Jahre lang von der Bildfläche verschwunden war. Die Rede ist von Psychotic Waltz, einer Progressive-Metal-Legende, die derzeit zwar als Teil des mehrere Bands umfassenden "Power Of Metal"-Packages Europa bereist, aber die Markthalle wohl auch allein gefüllt hätte.
Die Anspannung ist jedenfalls greifbar, als Sänger Devon Graves und seine vier Mitstreiter auf die Bühne gehen, doch schon nach ein paar Takten verwandelt sich die Sorge, hier könnten durch ein misslungenes Comeback Jugenderinnerungen beschädigt werden, in pure Euphorie. Ja, sie können es immer noch. Ja, verschachtelte Klassiker wie "Spiral Tower" oder "Halo Of Thorns" haben nichts von ihrer Strahlkraft verloren. Und ja, dies ist keine bloße Vergangenheitsbewältigung, sondern auch Blick in die Zukunft: Psychotic Waltz nimmt demnächst ein neues Album auf und geht danach auf große Headliner-Tour. "Wir hätten uns nie vorstellen können, dass ihr uns immer noch so sehr mögt", ruft Graves mit belegter Stimme von der Bühne. Da bekommen auch gestählte Kuttenträger weiche Knie und zücken später die Fotohandys, um sich am umlagerten Merchandise-Tisch Arm in Arm mit ihren Helden knipsen zu lassen.
Danach kann nichts mehr kommen, sollte man denken, aber an diesem Abend stimmt einfach alles: der knackige Sound, die kurzen Umbaupausen und vor allem das weitere Line-up. Mit Symphony X tritt gleich die nächste Prog-Metal-Granate auf, die für einen speziellen Moment der Besinnung sorgt, als sie ihren Song "Paradise Lost" den Menschen in Japan widmet. Auch stark: Mit "End Of Innocence" und "Dehumanized" gibt es zwei neue Titel zu hören, die für eine neue CD, die erste seit vier Jahren, werben.
Als um 23 Uhr Nevermore loslegt, haben sich trotz später Stunde die Reihen im Publikum kaum gelichtet. Zwar sollte Sänger und Gesichtswrack Warrel Dane in Sachen Alkohol dringend kürzertreten, dann klappt's auch wieder mit dem Tönetreffen. Doch Gitarrist Jeff Loomis sorgt mit atemberaubender Fingerarbeit für einen positiven Gesamteindruck. Und an Bassistin Dagna Barrera, die den erkrankten Jim Sheppard ersetzt, führt ohnehin kein Blick, äh, Ohr vorbei.
Was bleibt? Die Erkenntnis, dass selbst vier Konzertstunden ungemein kurzweilig sein können. Und manchmal gar zu Tränen rühren - selbst wenn gerade kein Kind geboren wird.
(hot)