Im Museum für Kunst und Gewerbe sind politische Plakate von Käthe Kollwitz bis Frank Stella zu sehen - und ein aktuelles Plakat zu Japan.

Hamburg. Wie schnell Künstler auf aktuelle Ereignisse reagieren können, zeigt eine Arbeit des Israelis Yossi Lemel: Unter dem Endruck der japanischen Reaktorkatastrophe hat er schon am vergangenen Wochenende ein Plakat gestaltet. Am Montag mailte er es an Jürgen Döring, der die Plakatsammlung des Museums für Kunst und Gewerbe betreut. Kurzfristig integrierte Döring "Fukushima mon amour", dessen Titel sich auf Alain Resnais Filmklassiker "Hiroshima mon amour" bezieht, in eine Ausstellung, die ab morgen politische Künstlerplakate im Lauf der Jahrzehnte zeigt.

Unter dem Titel "Phantasie an die Macht" sind 180 Plakate aus aller Welt zu sehen, mit denen Künstler seit Beginn des 20. Jahrhunderts zu politischen Fragen Stellung bezogen haben. Die nach Themengruppen geordnete Schau führt mit Arbeiten von über 90 Künstlern vor Augen, dass das Plakat oft die Chance bietet, komplexe Inhalte, die sich mit Worten nur schwer darstellen lassen, in überzeugende und berührende Bilder zu kleiden.

Nachdem das Plakat seit Mitte des 19. Jahrhunderts zunächst vor allem für kulturelle Inhalte und Produkte geworben hatte, interessierten sich besonders in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg immer mehr Plakatkünstler für politische Themen. Zu den frühen Klassikern gehören die Anti-Kriegs-Plakate von Käthe Kollwitz. Mit signalhaften und oft verblüffenden Bild-Text-Kompositionen schufen Künstler von John Heartfield bis Klaus Steack, Lissitzky bis Haring, Miró bis Rauschenberg immer wieder Kompositionen, die in der politischen Auseinandersetzung klar Stellung bezogen. Das politische Plakat ist niemals abwägend, sondern ergreift stets Partei - für Freiheit und Menschenrechte, für Gleichheit und Toleranz. Aber auch gegen die Diskriminierung von Minderheiten, gegen die Zerstörung der Umwelt und gegen Fremdenfeindlichkeit. "Die Ausstellung eröffnet einen Blick auf die Protest- und Oppositionsbewegung der letzten sechs Jahrzehnte und zeigt zugleich das Spannungsfeld zwischen Utopie, dem Wunsch nach Mitbestimmung und dem realen Verlauf der politischen Geschichte auf", sagt Kurator Jürgen Döring. Aus dem enormen Bestand des Museums hat er sowohl weltberühmte als auch relativ unbekannte Plakate zu Themenblöcken zusammengestellt, die jeweils mit Dokumenten in den entsprechenden zeitgeschichtlichen Kontext gestellt werden.

Oft stellten sich Künstler mit ihren Arbeiten direkt in den Dienst einer Bewegung oder Organisation, wie etwa Picasso, der 1950 seine berühmte Taube 1950 für den "Zweiten Weltkongress der Verteidiger des Friedens" gezeichnet hatte. Künstler wie Max Bill, Joan Miró, Alexander Calder oder HAP Grieshaber gestalteten Arbeiten für Amnesty International; Friedensreich Hundertwasser, Robert Rauschenberg oder Shigeo Fukuda unterstützten Umweltschutz-Organisationen, während sich Andy Warhol und Joseph Beuys für 1979 für die Wahl der damals neu gegründeten Grünen engagierten. Andere arbeiteten jedoch ohne Auftrag, so ließ zum Beispiel Oskar Kokoschka sein Blatt für hungernde Kinder nach dem Zweiten Weltkrieg auf eigene Kosten in der Londoner U-Bahn plakatieren. Und Richard Serra verbreitete seine drastischen Plakate gegen die Wiederwahl von Georg W. Bush im Internet.

Phantasie an die Macht - Politik im Künstlerplakat. 18.3.-13.6., Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz, Di-So 11.00-18.00, Do bis 21.00