Maya Schweizer hat Fragen des Lebens auf Memos und Post-its gesammelt, ihr Werk ist nun in unserer Galerie der Woche, Katharina Bittel, zu sehen.

Galerie Katharina Bittel. Wir können tun oder lassen, was wir wollen. Eins tun wir immer: Wir handeln. In diesem Satz könnte man das künstlerische Interesse von Maya Schweizer zusammenfassen. In der Galerie Katharina Bittel hat die in Berlin lebende Französin zurzeit ihre erste Galerie-Ausstellung, mit einer Wand voller Bilder und einem Film über die bruchstückhaften Erinnerungen ihrer Großmutter an ein Haus zu Zeiten der Resistance in Frankreich.

Tun oder lassen - das klingt nach Alternativen, nach freier Wahl. Entweder das eine. Oder das andere. Maya Schweizer aber strickt daraus verzwickte, mehr komplexe als einfache Fragen, die sie auf Post-its wie Memos flüchtig notiert. Delikate Fragen mit einer beißenden Mischung aus Bevorzugung und Verneinung: "What would you prefer not to forget to say" (Was würdest du lieber nicht vergessen zu sagen), "What would you prefer not to repeat" (Was würdest du lieber nicht wiederholen), "Which story would you prefer not to recall" (An welche Geschichte würdest du dich lieber nicht erinnern?), "Which information would you rather not spread" (Welche Information würdest du lieber nicht verbreiten?) "Which ideal did you think not worth to realize" (Welche Ideale sind deiner Meinung nach nicht wert, in die Tat umgesetzt zu werden) oder "Where would you prefer not to stay" (Wo würdest du lieber nicht bleiben).

Solch Fragerei gleicht einem Spießrutenlauf durch die Gewissensgänge und Entscheidungsfallen des modernen Zeitgenossen. Doch liefern die Post-its nur den Anfang für eine noch größere Komplexität. Maya Schweizer hat sie zusammengeklebt - auf gefundene Bilder mit unterschiedlichen Motiven, von Demonstrationen, Straßenkämpfen, Porträts, der Pariser Metro oder historischen Aufnahmen.

Anschließend wurden die einzelnen Bilder samt Post-its abfotografiertund auf Zeitungspapier gedruckt, sie ergeben jetzt im Rechteck eine Galerie in der Galerie. Und als gestatte sich Maya Schweizer auch etwas Selbstkritik an so viel bohrendem Gesellschaftsengagement, hat sich in die Bilderwand eine Strichmännchenzeichnung eingeschlichen mit der Frage: "What is not to see in socially engaged art" - was lässt sich nicht in sozial engagierter Kunst sehen?

Fragen können quälend sein. Das demonstriert ebenso Maya Schweizers Video, ein Interview mit ihrer jüdischen Großmutter. Nur bruchstückhaft und eher verwirrend als aufklärend fördert sie Erinnerungen an wundersame Vorgänge im Jahre 1944 zutage.

An den Tag zum Beispiel, als ihre Großmutter gemeinsam mit ihrer Mutter ein Haus in Lyon bezog, das zuvor vom Polizeigouverneur der Vichy-Regierung bewohnt war und vor ihm als Hauptquartier des Widerstands diente. Ein Umstand, der sie später vor dem Schlimmsten bewahrte, als französische Miliz und Gestapo nach Juden suchten und die beiden Frauen mit den Angehörigen des Polizeichefs verwechselten. Als die Resistance zurückkam, um nach dem Gouverneur zu suchen, ereignete sich die gleiche Verwechslung erneut. Auch dieses Interview ist eine Installation der Ausstellung, und für einen Moment vergisst man alle Fragen.

Maya Schweizer: "What would you prefer not to see". Galerie Katharina Bittel, bis 12. März (U Rödingsmarkt), Admiralitätstraße 71, Mo-Fr 14.00-18.00, Sa 12.00-15.00, T. 25 49 68 83; www.galeriebittel.de