Heute Abend stellt der “Spiegel“-Journalist Dirk Kurbjuweit seinen Soldatinnen-Roman “Kriegsbraut“ im Literaturhaus vor.

Literaturhaus. Als der Vorgänger des Verteidigungsministers in der vergangenen Woche im Bendlerblock verabschiedet wurde, standen Schaulustige am Landwehrkanal: das letzte Kapitel des Falls eines Politikstars. Einer nutzte die Szenerie samt medialem Aufgebot und erinnerte, ganz wie der geschiedene Minister in seiner pathetischen Rücktrittserklärung, an den wichtigsten Auslandseinsatz der Bundeswehr. Raus aus Afghanistan, plärrte dieser mittelalte Mann, während die anderen Zuschauer, ungerührt und gebannt weiter auf das seltsame Zeremoniell auf der anderen Uferseite blickten.

Die Mehrheit der Deutschen ist gegen einen Afghanistan-Einsatz. Obwohl doch die Freiheit auch am Hindukusch verteidigt wird, um ein Politikerwort zu bemühen. Was irgendwie stimmt und uns, sofern wir nicht mit Desinteresse auf die langwierige Angelegenheit fernab Europas reagieren, offen macht für die Afghanistan-Reportagen von Journalisten, zurzeit auch für Afghanistan-Romane. Im vergangenen Herbst erschien "Deutscher Sohn", Ingo Niermanns und Alexander Wallaschs Roman über einen im Einsatz verletzten Soldaten. Deutsche Gegenwart, anno 2011; noch forcierter wird sie von einem Roman des "Spiegel"-Journalisten Dirk Kurbjuweit verhandelt. "Kriegsbraut" heißt das Buch, das der 48-Jährige heute im Literaturhaus vorstellt.

Kriegsbraut, das ist der Begriff, vor dem sich die Heldin des Romans fürchtet. Esther Dieffenbach ist als Soldatin in Afghanistan stationiert. Sie verbringt wie ihre Kollegen viele Tage in der Langeweile des Camps: Hitze, wenig Abwechslung, Lagerkoller, Anspannung, Nervosität. Abwechslung gibt es selten. Kurbjuweit macht das sehr gut, wenn er den Alltag der Soldaten beschreibt. Sie fahren Patrouille, sie tun dies geradezu sehnsüchtig, weil es Energien freisetzt, die im Eingepferchtsein ins Leere laufen. Die Gefahr, der sie sich aussetzen, ist eine Art Ventil und wird billigend in Kauf genommen. Auch wenn ein in der grellen Sonne blitzender Kochtopf für Angstzustände sorgt - er könnte ein Sprengsatz der Taliban sein. Es ist ein gelbes Land der Berge und Dörfer, das feindselig wirkt auf die, die doch nur den Frieden bringen wollen. Sie winken den Einheimischen zu, sie sind die freundlichste Armee der Welt. Weil Deutschland so viel Schuld auf sich geladen hat in seiner Geschichte, wie einer der Protagonisten anmerkt.

Afghanistan ist ein politisches Thema, vielleicht auch ein ideologisches. Wenn die Soldaten mit der Heimat telefonieren, bekommen sie mit, wie kritisch der Krieg in Deutschland gesehen wird. Im Falle der Heldin ist es der eigene Vater, der den guten Willen der westlichen Welt sabotiert. Wenn die Tochter auf Heimaturlaub ist, darf sie die Worte "Deutschland" und "Bundeswehr" nicht erwähnen.

Aber der Krieg und seine moralischen Implikationen sind nur ein Thema des klugen Erzählers Kurbjuweit, der gewusst haben muss, dass er sich mit der Wahl seines Sujets angreifbar macht. "Dass dies Afghanistan war, wo nicht Unschuld verteilt wurde, nur Schuld", sagt sich Esther an einer Stelle. Sie ist übrigens keine Jüdin, sie stammt aus Ostdeutschland und war zehn, als die DDR zusammenfiel. Sie spricht so gut Russisch, dass sie sich mit dem Lehrer Mehsud, der in der Sowjetunion studierte, unterhalten kann. Zweimal in der Woche fährt sie mit einem Militärfahrzeug in das abgelegene Dorf, in dem die Bundeswehr den Schulbesuch der afghanischen Mädchen überwacht.

In Afghanistan schicken manche Väter ihre Töchter nicht in die Schule. In Deutschland dürfen seit 2005 Frauen in der Armee dienen. Das ist das eigentliche Thema Kurbjuweits, und er entfaltet es auf gewagte Weise. Der Stoff ist nicht unbedingt unrealistisch, er erklärt auch, was passiert, wenn Kulturen aufeinandertreffen. Aber es hat etwas Abgeschmacktes, wenn die Frau aufs Gefühlige reduziert wird. In "Kriegsbraut", dem ersten Roman über eine deutsche Soldatin, stürzt sich diese in eine Liebesgeschichte. Und wird überdies als etwas haltlose Mittzwanzigerin dargestellt, die bei der erstbesten Gelegenheit mit einem Amerikaner in einem Humvee schläft; die sich wie ein Teenager fragt, "ob Afghanen so küssen wie Europäer oder Amerikaner".

Lesung mit Dirk Kurbjuweit heute, 20.00, Literaturhaus (U Mundsburg, Bus 6), Schwanenwik 38, Eintritt 8/6/4,-

Dirk Kurbjuweit: "Kriegsbraut" . Rowohlt Berlin. 333 S., 19,95 Euro