Die Violinistin Patricia Kopatschinskaja verzückte die Laeiszhalle

Hamburg. Ihre Berserker-Vorstellung des Brahms-Violinkonzerts im Vorjahr mit den Hamburger Symphonikern unter Peter Ruzicka war wenig geeignet, in das Bohei um die Geigerin Patricia Kopatchinskaja einzustimmen. Doch dass jede Verzückung über diese Musikerin nachfühlbar ist, bekommt sie nur das richtige Stück unter die Finger, den passenden Dirigenten an die Seite und ein exzellentes Orchester, das bewies sie am Freitag in der erfreulich gut besuchten Laeiszhalle.

Die musikantische Unfehlbarkeit, mit der dieser kulleräugige Kobold da über das Violinkonzert Nr. 1 D-Dur von Prokofjew herfiel, war nichts weniger als spektakulär. Kein Wunder, dass eine wie sie barfuß spielt. Sie muss wohl den Atem und den Herzschlag der großen Mutter unter sich spüren und mit den Fußsohlen aufnehmen, damit sie ihn dann mithilfe ihrer superben Technik als Musik in die Welt hinaussingen, hinauskratzen, hinausschleudern kann.

Denn wenn Musik Klangrede ist, dann ist diese moldawische Geigerin eine Art Shakespeare ohne Worte. Vom hohen Ton und herrlicher Poesie bis in die Niederungen derbster Flüche reicht ihr Klang- und Artikulationsvokabular. Das macht ihr Spiel enorm spannend. Schwierigste Passagen spielt sie wie beiläufig, und sie musiziert mit einem wachen Gespür fürs Ganze.

Neben all den tollen, hübschen, jungen ätherischen Virtuosinnen an der Geige steht Patricia Kopatchinskaja da als lachender, lehmbeschmierter Erdgeist, bereit und imstande, aus gröbstem Dreck das Gold ihrer Töne zu spinnen.

Zum Glück des Abends trug die bei allem Spielhunger herrlich diszipliniert agierende Junge Deutsche Philharmonie bei. Dem präzisen und energiegeladenen Dirigat Andrey Boreykos genau folgend, brachte das Riesenensemble auch Strawinskys "Chant du rossignol" und Bartóks noch immer einfach skandalös tolle Konzertsuite aus dem "Wunderbaren Mandarin" auf die Bühne. Das transzendente Leuchten in Debussys "Prélude à l'après-midi d'un faune" hätte noch eine Spur mehr Majestät und Ruhe über den Wassern vertragen können, aber darüber ernsthaft zu quengeln wäre pure Beckmesserei.

Wer mochte, konnte diesem jungen Orchester auch ein Kommunikationsmodell ablauschen: Beziehung gelingt, wenn Stimmen so organisch und transparent ineinandergreifen.