Angelika Thomas dominiert als Mama Amanda “Die Glasmenagerie“ am EDT

Hamburg. Was wird aus uns? Was ist die Zukunft? Mutter Amandas Fragen - voll Sorge um die Lebenschancen für Tochter Laura und Sohn Tom - kann sich jedermann jederzeit stellen. Tom spricht von zerbrechender Wirtschaft und Revolution im 1944 uraufgeführten Schauspiel "Die Glasmenagerie" von Tennessee Williams - und man denkt an heute. Regisseur Yves Jansen hat bei seiner Inszenierung am Ernst-Deutsch-Theater ganz bewusst auf inhaltliche und formale Aktualisierungen verzichtet, setzt auf die Aussagekraft des gestrafften Stücktexts und die Schauspieler. Nur die anrollende Tsunami-Welle im Hintergrund des Familienkäfigs, den Hans Winkler durch einen hohen Drahtzaun begrenzt, gibt der konventionell ordentlichen Aufführung eine bedrohliche Atmosphäre.

Die von ihrem Mann enttäuschte und verlassene Amanda Wingfield (Angelika Thomas) lebt in der Vergangenheit, flüchtet in glückliche Jugenderinnerungen, dominiert ihre Kinder und echauffiert sich darüber, dass nichts aus ihnen wird. Die "verkrüppelte" Laura ist menschenscheu und ohne Freunde, wird bedauerlicherweise von Monika Wegener auf einen unbeholfenen Jungmädchenton festgelegt. Ihr Bruder Tom, der verkappte Schriftsteller, arbeitet im Lagerhaus, flüchtet vor Mamas Bevormundung ins Kino. Felix Lohrengel überzeugt vom Typus her ohne sonderliche Anstrengung als verträumtes Muttersöhnchen. Doch er verlässt sich darauf zu sehr, wirkt - gerade in der Rolle des Erzählers - oft zu privat. Seinem Spiel fehlt es durch mangelnde innere Spannung und Gedankenschärfe beim Sprechen zuweilen an Präsenz.

Darüber verfügt jedoch Toms selbstbewusst auftretender, in Rhetorik geschulter Arbeitskollege Jim reichlich. Michael Wanker zeichnet ihn als einen sympathischen Angeber, wodurch der zweite Teil der Aufführung auch etwas an Komik und Schwung gewinnt. Denn Amanda sieht in Jim voreilig einen Verehrer und Heiratskandidaten für Laura. Doch eigentlich empfängt die im Ballkleid herausgeputzte Hausfrau einen Jugendkavalier, flirtet mit ihm und stiehlt der Tochter die Show. Laura blüht kurz in der Aussprache mit ihrer Klassenliebe Jim auf, wird aber - anders als Tom - wohl nicht den Absprung ins eigene Leben schaffen.

Angelika Thomas spielt als Amanda alle psychologischen Facetten dieser Übermutterfigur aus, die Sorge mit Selbstsucht verwechselt, diese aber anderen vorwirft und nie wirkliches Verständnis für sie aufbringt. Ihre Amanda ist bigott, nervös und schuldbewusst, reagiert abwechselnd hysterisch und euphorisch, sie keift, weint, tobt und tanzt, ein verzweifelter Hausdrachen in der Abendrobe. Sie hat zwar sich nicht im Griff, umklammert dafür ihre Kinder umso fester. Tom muss schließlich im Rückblick einsehen: Trotz seiner Flucht aufs Meer gibt es kein Entkommen aus dem Familienkäfig.

Die Glasmenagerie bis 9.4., Ernst-Deutsch-Theater, Karten unter T. 22 70 14 20; www.ernst-deutsch-theater.de