Spannende Musik, unbefriedigende Darreichungsform: Francesco Tristano, Carl Craig und Hamburger Symphoniker in der Laeiszhalle

Hamburg. Am Ende des zweistündigen Konzerts hielt es vier Besucherinnen nicht länger in ihren Parkettsesseln. Sie sprangen auf und fingen an zu tanzen. Nur: so richtig Tanzmusik war's dann doch wieder nicht, was aus den Boxen kam, weshalb ihr tapferer Vorstoß keine Nachahmer fand. Sitzen schien aber auch nicht die rechte Rezeptionshaltung für das "Technophonic" genannte Konzert mit Francesco Tristano, Carl Craig, Moritz von Oswald und Mitgliedern der Hamburger Symphoniker. Der Abend, inspirierend, aufregend und doch nicht ohne Längen, setzte sich ein utopisches Ziel.

Allzu vieles auf einmal sollte da unterm bunten Licht vieler Scheinwerfer miteinander versöhnt werden. Der Atem klassischer westlicher Orchestermusik mit dem Beat im Zeitalter seiner computertechnischen Reproduzierbarkeit, der Gestus der Improvisation mit dem stoischen Abspielen von Noten. Die Technofreunde erlebten einen sich selbst quasi immer wieder in den Beat fallenden Carl Craig, dem es an diesem Abend offenkundig genauso wenig um die Verfertigung reiner Tanzmusik ging wie dem Pianisten Tristano. Der verbrachte die meiste Zeit halb stehend am elektronisch präparierten Flügel und an seinen Computern und Zusatzkeyboards, wiegte sich in den verhaltenen Grooves und dirigierte die fünf Bläser und zwei Handvoll Streicher mit sparsamen Gesten. Gegen die Diktaktur der stoisch durchgeschlagenen tiefen Elektronik-Trommel (Ummz-Ummz-Ummz-Ummz) begehrten schön ein 7/4-Stück und "Sandstorms" mit seiner reizvoll diffusen Zeitsignatur auf. Kleine, sich unablässig wiederholende melodische Figuren ließen an so ziemlich alles aus der Ecke Minimal Music denken, von Terry Riley über Steve Reich bis zu Philip Glass. Präzision bei Einsätzen und im Zusammenspiel, unerlässlich bei eng verzahnten Patterns, blieben die Streicher öfter schuldig.

Sanft pochende Beats, eine ganze Welt voller subtiler elektronischer Klänge, dazu ein Soloklavier, das Stimmungen zwischen früher Keith-Jarrett-Hypnose, Joe-Zawinul-Sounds und Musique pauvre weckt: So etwas verlangt nach ganzheitlichem Hören, nach körperlichem Eintauchen in die Musik. Ist man zur Sesselkartoffel in Plüsch verdonnert, bleibt einem der Sesam entgrenzter Wahrnehmung verschlossen. Die adäquate Präsentationsform solcher Trance-Musik steht noch aus. Im Konzertsaal liegt sie nicht.