Zsuzsa Bánks “Die hellen Tage“ ist eine Freundschaftsgeschichte

Die Frankfurter Schriftstellerin Zsuzsa Bánk hat sich für ihren zweiten Roman recht viel Zeit gelassen. 2002 war ihr Romandebüt "Der Schwimmer" über ein verlassenes Geschwisterpaar mit dem renommierten Aspekte-Literaturpreis ausgezeichnet worden, danach legte die heute 45-jährige Autorin nur noch die Erzählungen "Heißester Sommer" vor.

Was alle Texte verbindet, ist Bánks Affinität zum traditionellen, bisweilen leicht ausschweifenden Erzählen.

"Ich kenne Aja, seit ich denken kann", behauptet die Ich-Erzählerin Therese im ersten Satz des Romans. Die beiden Mädchen wachsen zwar wie Geschwister auf, sind aber gar nicht miteinander verwandt. Später gesellt sich auch noch der Knabe Karl dazu.

Wir befinden uns in den 1960er-Jahren in einer Atmosphäre zwischen Märchen und Schauergeschichte. Evi, eine ehemalige Seiltänzerin aus Ungarn, hat sich mit ihrer Tochter Aja am Rande des fiktiven Ortes Kirchblüt am Neckarufer niedergelassen. "Es sieht aus, als würde es schweben", heißt es über Evis Haus, eine von ihrem Mann Zigi notdürftig hergerichtete Laube ohne gültige Postadresse, die allerdings von einem paradiesischen Garten eingerahmt wird.

Zwischen Klatschmohn und Kastanien verbringt das Trio eine nahezu unbeschwerte Kindheit, abseits von Normen und Zwängen des Alltags. Zsuzsa Bánks Beschreibungen versprühen einen märchenhaft-archaischen Zauber, mit dem die Tragik der Handlung leicht kaschiert wird.

Bei genauem Hinschauen entpuppen sich nämlich alle Figuren als Verlassene. Ajas Vater Zigi kommt nur einmal im Jahr zu Besuch nach Kirchblüt; Karl hat auf mysteriöse Weise seinen Bruder durch ein Verbrechen verloren; und Thereses Vater starb an einem Herzinfarkt.

Dieser hochpoetische Entwicklungsroman umspannt einen Zeitraum von fast 30 Jahren. Irgendwann bricht das Trio auf, geht nach Heidelberg und später nach Rom. Karl wird Fotograf, Aja arbeitet als Ärztin, während Therese die elterliche Spedition weiterführt. Am Ende kommt sogar eine gewisse Tragik auf, da aus den Freundinnen Aja und Seri erbitterte Rivalinnen um Karls Liebe werden.

Bedächtig, ja geradezu elegisch erzählt Zsuzsa Bánk diese opulente Patchwork-Familiengeschichte um Liebe und Schmerz, seltene Glücksmomente und tragische Verluste. Wie treffend schrieb Tolstoj schon in "Anna Karenina": "Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich, jede unglückliche Familie ist unglücklich auf ihre Weise."

Zsuzsa Bánk: Die hellen Tage Roman, S. Fischer Verlag, 541 Seiten, 21,95 Euro