Ursina Lardi spielt Kronauers “Die Kleider der Frauen“ als Solo erstmals am Donnerstag auf der Probebühne in der Kampnagelfabrik.

Kampnagel. Eine Schauspielerin, ein Sessel und ein großartiger Text. Mehr braucht es manchmal nicht für einen interessanten, vielversprechenden Theaterabend - vorausgesetzt, eine Charakterspielerin vom Format einer Ursina Lardi steht auf der Bühne. Sie hat mit dem Regie-Duo Thorsten Lensing und Jan Hein drei Erzählungen aus Brigitte Kronauers "Die Kleider der Frauen" erarbeitet und zeigt die Hauptfigur Rita in drei Lebensaltern: als 7-jähriges geprügeltes Kind, als 20-jährige, sich nach Liebe sehnende Studentin und als 90-jährige einsame Alte, die zurückblickt und dem Tod ins Auge schaut. Nach der Vorpremiere im Münsteraner Pumpenhaus feiert die szenische Version von Kronauers dichterischer, depressiv grundierter Prosa - eine Koproduktion des Theaters T 1 und Kampnagel - diesen Donnerstag auf der intimen Probebühne der Kulturfabrik ihre Uraufführung.

Seit den Arbeiten mit Falk Richter ("Nothing Hurts") ist die in Berlin lebende Schweizer Schauspielerin immer wieder zu Gast in Hamburg, faszinierte zuletzt im dreckigen Hinterhof-Tschechow des Regieduos Lensing/Hein. Ursina Lardi spielt in der rauen, in Müll versinkenden und Rotwein absaufenden "Onkel Wanja"-Inszenierung mit Devid Striesow als exzessivem Arzt Astrov und Josef Ostendorfs weinerlichem Wanja eine harsche, elegante Jelena, die beide Männer um ihre Ruhe und den Verstand bringt. Doch schon in vorigen Produktionen ("Katharina von Siena") haben sich Lardi, Lensing und Hein als eigenwilliges, gründlich Text erforschendes und unnachgiebig ihre Theaterprojekte entwickelndes Erfolgsteam erwiesen.

Um die Sehnsucht nach Gerechtigkeit, menschlicher Nähe und erotischer Erfüllung kreisen die düster gestimmten Reflexionen der kühl sich und ihre Umwelt beobachtenden Rita in Kronauers Erzählzyklus "Die Kleider der Frauen". Da die Texte in Ich-Form geschrieben sind, eignen sie sich ungeachtet ihrer episch-poetischen Form für die Übertragung auf der Bühne.

Lardi beherrscht zudem in ihrer transparenten Spielweise die Kunst, sich intensiv in die von ihr dargestellten Frauenfiguren einzufühlen, sich aber gleichzeitig zu ihnen eine Distanz zu bewahren. Diese raffinierte Technik wendet auch die von den Kritikern gefeierte, mit vielen Auszeichnungen bedachte Schriftstellerin an, die in Hamburg lebt und vor wenigen Monaten ihren 70. Geburtstag feierte.

"Im Dunkel" ihrer Kindheit gefangen ist Rita in der ersten Episode und Geschichte. Sie berichtet - in Zöpfen und rotem Kleid - von Strafe und Gewalt, von Misshandlung der Kinder und Schlachtungen der Tiere. Die frühen Eindrücke prägen die Erwachsene mit ihrer Liebe zu Tieren und einer misstrauischen und menschenfeindlichen Einstellung zum Leben. Auf "Vierzehn" und "Krähen" basieren die beiden weiteren Szenen, in denen Lardi erst der jungen und dann der gealterten Frau ihre Stimme und ihre so intensive wie nuancierte Gestaltungskraft leiht.

In der Büchner-Preisträgerin Brigitte Kronauer und der durch Fernsehen und Filme ("Das weiße Band") ebenfalls bundesweit bekannten Schauspielerin Usina Lardi begegnen sich bei diesem ungewöhnlichen Solo-Projekt zwei Ausnahmekünstlerinnen: Jede versteht auf ihre Weise, das Publikum zu fordern und auch zu fesseln.

Die Kleider der Frauen Do 10.3., Uraufführung Kampnagelfabrik (U Borgweg, Bus 172/173 Jarrestr.), Jarrestraße 20-24, Karten zu 16,- /17,- , erm. 8,- T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de