Das Devin Townsend Project stellt heute die Quintessenz des modernen, knallharten und doch enorm melodiösen Metal im Gruenspan vor

Gruenspan. Am heutigen Mittwoch soll die Raumfähre "Discovery" zum letzten Mal am Weltraumbahnhof Cape Canaveral landen und damit ihren Beitrag zum Spaceshuttle-Programms beenden. Das mag traurig sein, ist aber zu verschmerzen. Schließlich kann sich der Mensch mit Musik viel schneller in ungeahnte Weiten, Sphären und Dimensionen begeben. Und der kanadische Sänger, Komponist und Produzent Devin Townsend versucht das vermutlich permanent.

Seit Townsend, geboren 1972 in New Westminster, im Alter von fünf Jahren erstmals ein Banjo in die Hände nahm, verging kaum ein Tag, an dem sich sein Leben nicht um Musik drehte. Er spielte in ungezählten Metal-Garagenbands und später mit Steve Vai und (Ex-)Metallicas Jason Newstedt. Aber seinem Ziel, extreme Grenzen des Metals auszuloten und zu überschreiten, kam er so nicht näher.

Dafür erreichte er dieses Ziel aus dem Stand, als er das Zorn-Ensemble Strapping Young Lad gründete und mit dem ersten, passend betitelten Werk, "Heavy As A Really Heavy Thing", 1995 selbst bei alles gewohnten Metalfans für zuckende Augenbrauen sorgte. Der Metal Hammer beschrieb "das Ding" als eines der verstörendsten Alben, die wohl jemals aufgenommen wurden. Die konservative Szene empfand das Lob eher als Warnung denn als Kaufanreiz, nur 143 Exemplare sollen im ersten halben Jahr verkauft worden sein. Nichtsdestotrotz lebte Townsend in den folgenden Jahren förmlich im Studio.

Mit Strapping Young Lad nahm er bis 2006 vier weitere Alben auf, ein jedes kam einer Reise in eine verfallene, verwirrende und doch faszinierende Zukunftswelt gleich. Und davor, danach und dazwischen hatte er auch noch Zeit für bislang elf (!) Solo-Alben und mehr oder weniger kurzlebige Bandprojekte. Ambient Metal, Hardrock, Progressive Metal - nichts blieb unversucht, sodass er schnell von Kritikern den wohlwollenden Spitznamen "Der verrückte Professor" verliehen bekam. Seine lange Zeit markante wirre Zottelfrisur nebst Schlaumeierbrille und Albumtitel wie "Physicist" (2000) oder "Ziltoid The Omniscient" (2007) unterstrichen seinen Ruf noch.

Zu nahezu jedem seiner Werke passte der alte Spruch: "Sie hielten mich für wahnsinnig, aber ich habe Großes geschaffen." Wenn er mit seinem Stimm- und Ideenumfang heiseres Schreien, Operettengesang und Schmerzlaute, filigran verwobene Gitarren- und Keyboard-Teppiche, gnadenlose Härte und melodiöse Zärtlichkeit in den brodelnden Kessel fallen ließ, stand am Ende eine "Wall Of Sound" aus außerirdischem Material.

Sein aktuelles Werk, "Addicted" (2009), ist beispielhaft. Tolle Sci-Fi-Harmonien, Townsends Wut, elfenhafter Gesang von Gastsängerin Anneke van Giersbergen, poppige, stadiontaugliche Arrangements und das nötige Quantum Brachial-Metal fügen sich zu einem echten Geniestreich zusammen. Zu einem unbekannten Element, schwer wie Blei und doch flüssig wie Quecksilber, bekömmlich und rein wie frisches Quellwasser.

Seit Devin Townsend sich vor einigen Jahren eine kurze Atempause vom Musikgeschäft nahm, sind die Haare ab, seine Kreativität und der sprichwörtliche Arbeitswahn aber sind ungebrochen. Im Juni 2011 sollen sowohl das völlig chaotische Album "Deconstruction" und ein "New-Age-Ambient"-Werk namens "Ghost" erscheinen. Der Mann ist verrückt. Entrückt. Ein lebender Zeitgeist des Metal.

Devin Townsend Project, Aeon Zen Mi 9.3., 19.00, Gruenspan (S Reeperbahn), Große Freiheit 58, Eintritt 25,-; www.hevydevy.com