Der aufstrebende US-Sänger Amos Lee gab im Stage Club ein Solokonzert und setzte ganz auf die Kraft seiner Stimme und seiner Songs.

Hamburg. "Der sieht ja aus wie Robert Downeys kleiner Bruder", raunt eine Zuhörerin ihrer Freundin zu. Das Kompliment gilt einem Musiker, der mit seinem karierten Hemd und seiner Brille so gar nichts von dem Hollywood-Glamour besitzt wie der Schauspieler, mit dem ihm Ähnlichkeit attestiert wird. Was nicht bedeutet, dass Amos Lee keine Aura besäße. Doch, wie er dort allein auf der Bühne des Stage Clubs steht, wirkt er genauso normal wie seine Zuhörer in dem seit Wochen ausverkauften Klub. Vielleicht ist es gerade seine unprätentiöse Art, die seine Fangemeinde hierzulande ständig wachsen lässt. Amos Lee ist kein Showmann, sondern ein Sänger, der eine Menge zu erzählen hat.

Das eineinhalbstündige Konzert beginnt er mit "El Camino", dem Song, der auch am Anfang seines aktuellen Albums "Mission Bell" steht. Eine Band hat er diesmal nicht mit nach Hamburg gebracht. "Mit Band zu kommen, ist immer sehr teuer", entschuldigt er sich. Für "Mission Bell" hätte das eigentlich auch Calexico sein müssen, denn deren Frontmann Joey Burns hat das Album in Tucson (US-Staat Arizona) produziert, Calexico-Schlagzeuger John Convertino hat ebenso mitgespielt wie andere Bandmitglieder sowie ein paar mexikanische Mariachis. Doch Amos Lees Songs funktionieren auch in dieser schlichten Form. Stimme und akustische Gitarre reichen aus, um die Geschichten und das ihnen innewohnende Gefühl zu transportieren.

Das Album "Mission Bell", überraschend Mitte Februar auf Platz eins der Billborad-Charts in den USA gesprungen, wird von diesem typischen Wüstensound durchzogen, wie ihn viele Bands aus Arizona oder New Mexico pflegen. Bei diesem Hamburger Solokonzert rückt Lees Stimme wieder stärker in den Mittelpunkt, und die hat vor allem Soul. Hier zeigen sich die Vorbilder des ehemaligen Sonderschullehrers aus Philadelphia. Sänger wie Marvin Gaye oder Al Green stehen Amos Lee näher als frühere Folk-Heroen wie Bob Dylan oder Woody Guthrie. Sein dunkles Organ hat etwas geradezu Betörendes. Nicht nur seine weiblichen Fans hängen an seinen Lippen, jeder im Stage Club lauscht aufmerksam den oft düsteren Kurzgeschichten, die er in Songs verpackt hat.

Amos Lee singt von reuigen Sündern, für die Jesus die letzte Hoffung ist, von verrammelten Fenstern, hinter denen man Abgründe vermutet, und in "Out Of The Cold" von jungen Soldaten, deren Leben schon mit 22 Jahren den Bach runter ist. Zu diesem Lied wurde er inspiriert, als er ein Konzert in einem US-Veteranen-Hospital gab und anschließend noch mit einigen verwundeten Soldaten sprechen konnte.

Doch zum Glück gibt es auch noch eine zuversichtlichere Seite von Amos Lee. Der 32 Jahre alte Sänger hat ein paar sehr schöne Liebessongs in seinem Repertoire wie "Flower" mit der schlichten Aussage: "My heart is a flower/that blooms every hour/I believe in the power/of love." Nach etlichen Zugaben lässt das begeisterte Publikum diesen sympathischen Singer/Songwriter von der Bühne, und Amos Lee verspricht, möglichst bald wiederzukommen nach Hamburg. Dann wieder mit Band und nach diesem tollen Konzert vielleicht vor noch mehr Zuhörern. Denn seine Fangemeinde wächst und wächst und wächst.