Es gab sie, es gibt sie und Justin Bieber wird nicht der letzte Teenie-Schwarm sein. Doch wie lange halten sie sich? Eine Analyse des Phänomens

Hamburg. Morgen startet ein Film, der die meisten Erwachsenen überhaupt nicht, viele Teenies dafür umso mehr interessiert. Justin Biebers biografischer Film "Never Say Never" folgt auf die im vergangenen Jahr in Buchform erschienene Autobiografie des 17-Jährigen ("Erst der Anfang: Mein Leben"). Kreischende Mädchen und Jungs mit der Wischmopp-Frisur ihres Stars werden an die Kinokassen pilgern. Die Fans lieben ihr Idol, das bereits für den amerikanischen Präsidenten singen durfte und im vergangenen Jahr die Grammys präsentierte. Doch ist die Karriere des Kanadiers, der auf YouTube entdeckt wurde, wirklich erst am Anfang? Teenie-Stars sind ein wiederkehrendes Phänomen, doch einzelne Karrieren sind meist sehr kurzlebig.

Groß wird, wer zur richtigen Zeit auf die richtige Art den Massengeschmack bedient. In den 60er- und 70er-Jahren waren es David Cassidy und The Monkees, die prototypisch für das Bild des Teenie-Stars standen. Cassidy profitierte davon, als seine Fernsehrolle Keith Partridge wahrgenommen zu werden, als braver Sohn der verwitweten Mutter aus "Die Partridge Familie", die mit ihren Kindern als Band auftritt. Auch The Monkees, die wohl erste gecastete Boyband der Musikgeschichte, übertrug die Charaktere ihrer gleichnamigen Fernsehserie auf die Bühne. Die heile Welt der liebenswerten Chaoten, die um ihre Karriere als Band kämpfen, folgte bereits Mitte der 60er-Jahre demselben Erfolgsrezept wie die Partridge-Familie wenige Jahre später: Die Nähe zur Hippie-Bewegung, die bei beiden ein Stück der Faszination für Jugendliche ausmachte, ging kaum über die Optik hinaus. Weder Cassidy noch The Monkees wurden als Gefahr für das Establishment angesehen, genauso wenig wie Jahrzehnte später Tokio Hotel. Man durfte ihnen als Jugendliche nacheifern, ohne dass die Eltern meckerten.

In den 90er-Jahren entdeckten Manager und Produzenten bei neueren Boybands wie den Backstreet Boys oder 'N Sync, dass sie sich noch besser verkaufen, wenn zusätzlich zum übergeordneten Bandimage als Stilikone des Mainstream-Geschmacks einzelne Bandmitglieder bestimmte Rollen verkörpern. Damit trugen sie der Individualisierung der Jugendkultur Rechnung, ohne zu sehr in ihre vielfältigen Strömungen abzugleiten. Wenn sich der "böse Junge" der Band danebenbenahm und sich als großer Liebhaber inszenierte, gehörte das zum Konzept.

Was in der Boyband durch das Saubermann-Image der anderen wieder aufgefangen wird, kann für den einzelnen Teenie-Star den Karriereknick bedeuten. Er kann kein hybrides Bild von sich zeichnen, muss den Nerv des Mainstreams treffen. Also singt er von Liebe, gerät aber nicht wegen Liebschaften in die Schlagzeilen. Von Tätowierungen oder Drogen lässt er strikt die Finger.

Bieber macht in dieser Hinsicht alles richtig, seine Weste könnte kaum weißer sein. David Cassidy ist das Gegenbeispiel. Sein Ruhm bekam einen ersten Knacks, nachdem er im Mai 1972 auf dem Cover des "Rolling Stone" nackt posierte und im Interview über Sex mit Groupies und den Konsum von Marihuana sprach. Da war er 22 Jahre alt. Fast schon zu alt, um als Jugend-Idol noch funktionieren zu können.

Denn der Teenie-Star ist jung. Er muss von seinem Publikum als zur gleichen Lebenswelt gehörig akzeptiert werden. Auch hier handelt Bieber vorbildlich. Er twittert, er ist bei Facebook, interagiert mit seinen Fans. Einem Älteren würde man dieses Maß an Begeisterung für das Internet kaum abnehmen. Wenn der Star nicht mehr ins Bild der Teens passt, muss er sich von ihnen unabhängig machen, oder er verglüht.

Diesen Moment hinauszögern kann er, wenn ein Großteil seiner Fans noch jünger ist als er selbst. Das verschafft ihm mehr Zeit. Der "Mickey Mouse Club", eine Kindersendung, die bis 1996 im amerikanischen Fernsehen lief, brachte mehrere Teenie-Stars hervor. Justin Timberlake machte zunächst als Mitglied der Boyband 'N Sync Karriere, bevor ihm der Absprung ins Solofach gelang, auch Britney Spears und Christina Aguilera wurden durch das Disney-Format bekannt. Allen dreien kam das brave Image zugute, das sie durch die Auftritte bei Disney bekommen hatten. Timberlake entfernte sich Schritt für Schritt von der Rolle als Strahlemann, auch Aguilera und Spears haben nicht mehr viel mit der heilen Welt von Mickymaus zu tun. Timberlake ist unabhängig von seiner Vergangenheit geworden, Aguilera und Spears hingegen stolperten über Skandale.

Wenn es der Teenie-Star nicht schafft, den Schritt von der Rolle zum Individuum zu gehen, bleibt ihm nur die Nostalgie der alten Fans. Über die Mitglieder von New Kids On The Block redet heute kein Mensch mehr, ihre Reunion 2008 missglückte. Take That hingegen sind mit ihrem 2010 erschienenen Album gut angekommen. Daran hat Robbie Williams entscheidenden Anteil. Der schaffte es, sein Image als Herzensbrecher durch seine Qualitäten als Entertainer zu erweitern und zum Popstar zu werden.

Die Mechanismen des Geschäfts scheinen auch Justin Bieber klar zu sein. Er beginnt, sich allmählich neu zu erfinden. Auf dem Cover der aktuellen US-Ausgabe des "Rolling Stone" ist er mit strubbeliger, weniger braver Frisur zu sehen, er spricht über seine Freundin und über Sex. Ob er es schafft, sich eine langfristige Karriere aufzubauen, ist nur für ihn wichtig, nicht für das Geschäft mit den Teenie-Stars. Denn der nächste kommt bestimmt.