Der WDR hat die verstorbene Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig porträtiert

Es ist der WM-Sommer 2010. Mesut Özil schießt Deutschland gegen Ghana ins Achtelfinale. Auch Kirsten Heisig, die bekannte Jugendrichterin, feiert auf der Fanmeile in Berlin. Wie ein "kleines WM-Mädchen" ist sie geschminkt, erinnert sich ein Kollege später. Wenige Tage danach ist Kirsten Heisig tot. Sie hat sich umgebracht. Ihre Leiche wird in einem Waldstück im Tegeler Forst gefunden. Die 48-Jährige hatte eine Überdosis Antidepressiva geschluckt. Und sich dann erhängt.

Die WDR-Dokumentation "Tod einer Richterin" versucht acht Monate danach hinter die Fassade einer Frau zu blicken, die Justizgeschichte schrieb. Heisigs "Neuköllner Modell", das kriminelle Jugendliche schneller vor Gericht bringt, damit die erzieherische Wirkung nicht verpufft, machte sie berühmt. Die "Richterin Gnadenlos" war keine Frau, die sich hinter ihren Akten versteckte. Im Problembezirk Neukölln suchte sie den Kontakt zu den Familien, erarbeitete sich deren Respekt. Heisig wollte nicht nur bestrafen, sie wollte auch nach Lösungen suchen. "Sie wusste, wovon sie redet", sagt Kazim Erdogan, Leiter der türkischen Vätergruppe Neukölln. Einer der Väter kämpft in dem TV-Film mit den Tränen: "Das soziale Engagement, das sie uns beigebracht hat, wollen wir weiterführen."

"Schlagringe, Baseballkeulen ... es wird bevorzugt auf den Kopf geschlagen." Für die harten Worte ist Heisig in "Tod einer Richterin" selbst zuständig. Archivaufnahmen zeigen Interviews mit der umstrittenen Juristin. Ansonsten lässt die Doku kritische Töne vermissen. Trotzdem ist das leise Porträt von Güner Balci und Nicola Graef sehenswert: Auf Effekthascherei wird verzichtet, ebenso auf prügelnde Gettokids. Dennoch kommen diese zu Wort. "Wir haben sie gehasst", sagt der 16-jährige Gibran. Auch er stand als Angeklagter vor Heisig. In ihrem Buch "Das Ende der Geduld", das kurz nach ihrem Tod veröffentlicht wurde, schreibt Heisig über den Umgang mit diesen Kids. Es wird zum Bestseller.

Warum Heisig sich im Sommer 2010 das Leben nahm, kann der Film nur vage andeuten. Sie war eine einsame Frau. Und sie war depressiv. Bereits zwei Jahre zuvor hatte sie versucht, sich umzubringen. Im Jahr, als ihre Ehe zerbrach. Die zwei Töchter sah sie seit der Trennung nur am Wochenende. Die Kollegen merkten nichts von dem Suizidversuch. Ihnen wurde schwindelig vom Elan der Richterin, der "fröhlichen Frau". Am Ende ist es ein Satz von Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky, der im Kopf bleibt: "Sie war ein Mensch ohne Aus-Schalter."

Tod einer Richterin heute ARD, 22.45 Uhr