Die Regisseurinnen Yasemin und Nesrin Samdereli stellen heute ihre charmante Filmkomödie Almanya im Abaton vor

Abaton. Manchmal ist das Leben eigenartiger als die Fiktion. Viele Politiker fühlten sich in jüngster Zeit aufgerufen, mehr oder weniger kluge Beiträge über Migranten in Deutschland abzugeben, von Christian Wulff bis Thilo Sarrazin. In der vergangenen Woche erst leistete der neue Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) einen umstrittenen Beitrag zu der Debatte. Damit machte er indirekt und kostenlos Werbung für einen Film. Denn darum geht es in "Almanya - Willkommen in Deutschland", eine über drei Generationen hinweg erzählte Geschichte über das Zusammenleben von Deutschen und Türken. Heute hat die Komödie Hamburg-Premiere im Abaton.

Der Türke Hüseyin Yilmaz verlässt in den 60er-Jahren seine anatolische Heimat und findet Arbeit in Deutschland. Später holt er seine Familie nach. Das Aufeinandertreffen von Orient und Okzident führt zu einer Reihe kurioser Ereignisse. Zunächst verstehen beispielsweise die Migranten die deutsche Sprache noch nicht. Regisseurin Yasemin und ihre Schwester, die Drehbuchautorin Nesrin Samdereli, hatten den schönen Einfall, sich eine Idee aus dem Spielfilm "Der große Diktator" zu borgen. Wie Charlie Chaplin in Hynkels Ansprache sprechen die Deutschen in diesem Movie zunächst in einer Kunstsprache, einem nicht nur für die Türken völlig unverständlichen Kauderwelsch. Das führt zu Missverständnissen, aber die sind in diesem leichtfüßigen und warmherzigen Film dazu da, um überwunden zu werden.

So beantragt Großmutter Fatma für ihren Mann Hüseyin und sich deutsche Reisepässe. Beim Abholen im Einwohnermeldeamt fragt der Beamte die alte Frau: "Verpflichten Sie sich, die deutsche Kultur als Leitkultur zu übernehmen?" Sie nickt. "Sehr schön. Das bedeutet, Sie werden Mitglied in einem Schützenverein, essen zweimal die Woche Schweinefleisch, schauen jede Woche 'Tatort' und verbringen jeden zweiten Sommer auf Mallorca. Sind Sie bereit, diese Pflichten auf sich zu nehmen?" Eingeschüchtert antwortet sie: "Ja, natürlich. Muss ja alles seine Ordnung haben."

Darüber lachten vor einigen Tagen bei der Premiere im Rahmen der Berlinale auch Bundespräsident Christian Wulff und seine Frau. Wie schön, dass es in dieser aufgeheizten Debatte nun einen Beitrag gibt, der mit dem Thema originell und augenzwinkernd umzugehen versteht. Beide Seiten und alle Generationen bekommen ihr Fett weg. Das liegt auch daran, dass die Filmemacherinnen wissen, wovon sie erzählen.

Sie sind als Töchter türkischer Eltern in Dortmund geboren und erzählen von Erlebnissen, die sie aus ihrer eigenen Familie kennen. Nesrin Samdereli war Funkenmariechen, besuchte eine katholische Grundschule und machte schon dort Erfahrungen mit freundlich-herablassender Diskriminierung. "Uns war gar nicht bewusst, dass wir 'anders' waren. Ich war das einzige nicht christliche Kind dort, habe immer alles mitgemacht, kenne alle Gebete."

Yasemin und Nesrin Samdereli, die ihren Film heute im Abaton vorstellen, wirkten beide an der preisgekrönten TV-Serie "Türkisch für Anfänger" mit, die erfolgreich den Culture Clash zwischen Deutschen und Türken thematisiert. Trotzdem entwickelte sich ihr gemeinsames Projekt fast zu einer unendlichen Geschichte. Acht Jahre lang haben sie versucht, es zu realisieren.

Als Hindernisse erwiesen sich dabei ausgerechnet erfolgreiche Kinokomödien, die ähnliche Geschichten erzählen: Anno Sauls "Kebab Connection" und Fatih Akins "Solino". "Es hieß damals: Das Thema hat sich erledigt, das Publikum ist übersättigt", ärgert sich Nesrin Samdereli noch heute.

Dann kam die Einladung zur Berlinale. Die Bundeskanzlerin hat sich den Film dort übrigens nicht angesehen, obwohl sie am Ende eine Art Gastauftritt hat. Genau die Angela Merkel, die vor einigen Monaten noch sagte, Multikulti sei tot. "Jetzt kommen wir und sagen: Moooment", hält Yasemin Samdereli dagegen, die in Berlin lebt. Der Heimatbegriff ist für sie mit Menschen verbunden. Sie denkt an ihre Großmutter. "Wenn sie uns ins Bett gebracht hat, sprach sie oft ein arabisches Gebet, das ich nicht verstanden habe. Es kam mir immer vor wie eine Zauberformel." Vielleicht hat die jetzt ja gewirkt. Bei der Berlinale gab es viel Applaus.

Almanya - Willkommen in Deutschland heute 20.00, Abaton (MetroBus 4 + 5), Allende-Platz 3; T. 41 32 03 20; www.abaton.de