Der polnisch-ungarische Pianist Piotr Anderszewski ist einer der spannendsten Musiker unserer Zeit - und in Hamburg gleich viermal zu erleben

Laeiszhalle. "Ich mag eigentlich keinen Applaus. Bei diesem Ritual des Auf- und Abgehens fühle ich mich nicht besonders wohl", sagt Piotr Anderszewski und lächelt leicht verlegen. Es ist ihm anzusehen: Wenn er auf die Bühne geht - und eben nicht schreitet oder stolziert - scheint seine Körpersprache zu sagen: Bloß keine Umstände! Er wirkt dann wie ein sehr bescheidener junger Mann, der keinem Flügel was zuleide tun kann. Der Eindruck täuscht. "Wer regelmäßig mit großen Orchestern vor vielen Zuhörern auftritt, ist nicht wirklich ein bescheidener Mensch, oder? Da gehört schon ein großes Ego dazu." Stimmt auch wieder. Der 41-jährige polnisch-ungarische Pianist ist ein nachdenklicher, mitunter vergrübelter Typ, der nichts einfach so daherschwafelt. Weder im Interview noch am Instrument. Das macht ihn zu einem der spannendsten Musiker unserer Zeit - und genau deshalb haben ihn die Elbphilharmonie-Konzerte auch als "Artist in Residence" engagiert.

Anderszewski geht zum ersten Mal so eine Verbindung ein. "Ich glaube, es ist interessant, in dieselbe Stadt zurückzukommen und dadurch die Chance zu haben, dass ein Teil des Publikums mehrere Konzerte besucht. So kann eine echte Beziehung entstehen."

In vier Konzerten und einem Filmporträt ist der sympathische Melancholiker zu erleben. Dabei präsentiert er sich in verschiedenen Rollen: Als Solist mit Orchester, als Alleinunterhalter in einem Klavierrecital und als Kammermusiker. Beim Duoabend mit dem Geiger Frank Peter Zimmermann Mitte April widmet er sich unter anderem dem Schaffen des polnischen Komponisten Karol Szymanowski, der ihm ganz besonders am Herzen liegt: "Er ist ein sehr europäischer Komponist. Als junger Mann war er verrückt nach Wagner und von der deutschen Musik geprägt - aber dann gibt es auch einen großen Farbreichtum, eine große Sinnlichkeit bei ihm. Ich würde das nicht französisch nennen. Er kombiniert einfach viele verschiedene Welten."

Einen Monat später spielt Piotr Anderszewski mit dem Belcea Quartet das Klavierquintett von Schostakowitsch. Die Belceas und Frank Peter Zimmermann gehören zu seinen wenigen festen Kammermusikpartnern; eigentlich geht er nämlich lieber seinen eigenen Weg. "Ich genieße es, mich einfach mal hinzulegen oder eine Tasse Tee zu trinken. Wenn man mit anderen zusammenspielt, kann man natürlich nicht immer genau das machen, wonach einem grade der Sinn steht."

Beim Auftakt zu seiner Residenz am Sonntag muss er sich an eine ganze Gruppe anpassen: Da kommt Anderszewski mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen in die Laeiszhalle. Aber, keine Sorge, die Chemie zwischen ihm und den Kollegen stimmt hervorragend - schließlich besteht die Spitzentruppe von der Weser aus lauter starken Persönlichkeiten, die zusammen ein Weltklasseteam bilden. Da kann Werder-Trainer Thomas Schaaf nur neidisch sein.

Auf dem Programm stehen unter anderem zwei Klavierkonzerte von Mozart. Sie sind für den Pianisten nach wie vor das Maß aller Dinge. "Dieses Miteinander von Kammermusik und Oper halte ich für einzigartig. Kein Komponist nach ihm hat die Idee der Interaktion von Klavier und Orchester überzeugender in Töne gekleidet." Das d-Moll-Konzert wird wegen seiner dunklen Stimmung und der zeitlichen Nähe oft mit der Oper "Don Giovanni" in Verbindung gebracht. Aber Anderszewski hält es für falsch, allzu konkrete Bilder oder Stimmungen im Kopf zu haben. "Natürlich gibt es in diesem Stück tragische Elemente - doch das ist nur ein kleiner Ausschnitt. Mozart ist für mich alles vom einfachsten Organismus bis zu Gott. Seine Musik lässt sich nicht auf einzelne Momente reduzieren. Es ist eine Geschichte des Lebens selbst!"

Und die wird Anderszewski bestimmt sehr spannend erzählen. Und dann ein bisschen Applaus ertragen.

Piotr Anderszewski und die Kammerphilharmonie Bremen, So. 6.3., 20.00, Laeiszhalle (U Gänsemarkt), Karten (8-45 Euro) unter T. 35 76 66 66 und an der Abendkasse. Weitere Konzerte mit Anderszewski am 16.4., 10.5. und 11.5.