Ich sag mal: Die deutsche Sprache kann viel verkraften, auch diesen tagtäglichen Unsinn

Vielleicht sollten wir uns mitten im hörbar anschwellenden Grundrauschen der Sprachkritik einfach mal fragen, was die deutsche Sprache denn so schwer beschädigt hat, dass nun so viele Menschen meinen, sie retten zu müssen: eingetragene Vereine, eigens gegründete Gesellschaften, sogar Akademien, Gardinenprediger genauso wie Spaßvögel.

Verkommt unsere Sprache unter dem Ansturm der Anglizismen? Das denken nur Kleingläubige. Oder wird sie zugeschüttet von den sprachlichen Trümmerhaufen der Chats und Simsereien? So etwa: "booaaa mein dad voll eklich wg schule *stöhn* haste mo Zeit? hdgdl (= hab dich ganz doll lieb)."

Dummes Zeug, ja. Aber so dumm wie dieses Zeug kann Deutsch gar nicht sein. Oder zweifeln etwa auch Sie, was richtig ist: gewinkt oder gewunken? Geschenkt!

Achten Sie, geneigte Leserinnen und Leser, doch lieber mal darauf, wie viele sprachliche Klischees und Banalitäten Sie Tag für Tag in Ihren Sprachgebrauch aufnehmen, weil Sie diese immer wieder in den Nachrichten hören oder im gedankenlosen Geplauder an irgendeinem Tresen.

Beginnen wir mit einem Klassiker: Dass sich jemand entschuldigt habe, hören Sie jetzt ständig, sagen es vielleicht sogar von sich selbst. Das geht nun aber überhaupt nicht! Man muss es wirklich dreimal sagen: Kein Mensch kann sich entschuldigen, er kann nur darum bitten, dass der Belogene und Betrogene ihm seine Schuld erlasse.

Wenn irgendwo etwas gesprengt wird, dann "in die Luft"; auch Selbstmordattentäter sprengen sich grundsätzlich "in die Luft". Schön wär's. Denn dann wären ja nur der Selbstmörder und die Luft beschädigt. Tatsächlich aber werden dabei andere Menschen mit "in den Tod gerissen". Das ist zwar leider richtig, schafft aber ein verheerendes sprachliches Klischee: In den Tod wird man "gerissen". Gott sei Dank gibt es sanftere Todesarten.

Ist Ihnen die Inflation des Adjektivs nachhaltig schon aufgefallen? Politiker gehen damit hausieren, wenn sie erklären wollen, dass sie etwas gut, gründlich und dauerhaft erledigt haben. Nachhaltig klingt aber besser. Doch selbst der Duden schreibt dem Wort nur die Bedeutung "sich für länger stark auswirkend" zu, und im Brockhaus ist Nachhaltigkeit ein "Bewirtschaftungsprinzip, das dadurch charakterisiert ist, dass nicht mehr Holz geerntet wird, als jeweils nachwachsen kann". Das ist natürlich schön. Aber wenn in diesem Sinne alles nachhaltig wäre, was Politiker so nennen, dann hätten wir - zum Beispiel - keine Schuldenkrise.

Es wird sich wohl nichts ändern am Sprachgebrauch der Politiker (und auch an Ihrem).

Und die deutsche Sprache wird das aushalten. Sie kann viel Unsinn verkraften. Auch diesen.