Der Auftritt des Weltstars Kylie Minogue in der O2 World war mehr opulente Tanzshow als Popkonzert. Richtig gute Stimmung kam nicht auf.

Hamburg. Bei "There Must Be An Angel" ist das Publikum plötzlich da. Es singt und klatscht und freut sich, dass es einen Song erkennt. Endlich mal. Der stammt von den Eurythmics und war 1985 ein Hit. Schauplatz dieser nun befreiten Euphorie ist die O2 World, es ist 22.30 Uhr und die laufende Show neigt sich allmählich ihrem Ende entgegen. Doch nicht Annie Lennox singt von dem Engel, der doch da sein muss, sondern Kylie Minogue. Augenblicke vorher ist sie auf dem Rücken ihres schwarzen Tänzers mit riesigen weißen Schwingen durch die Luft in die Mitte der Saales geschwebt und hat sich von ihm inmitten der Fans auf einem Podest absetzen lassen. "O Gott, wie kitschig", wird der Flug vereinzelt kommentiert.

Kitsch wird bei der "Aphrodite"-Tour groß geschrieben. Ihr jüngstes Album und die Tournee hat die australische Sängerin nach der griechischen Liebesgöttin benannt, da schreit das Bühnenbild geradezu nach ein paar Säulen und einem Tempel aus Pappmaché. 45 Tonnen Equipment hat sie herankarren lassen, allein 200 Kostüme umfasst der Fundus der Tour.

Anfangs bevölkern archaische Kämpfer in voller Montur mit Schild und Kurzschwert und verschleierte Priesterinnen die Bühne, die vierköpfige Band ist links und rechts oben in der Bühnenkonstruktion platziert worden, zwei pro Seite - und damit im Abseits, aber das spielt an diesem Abend keine Rolle, denn die Musik dient nur als Grundrauschen. Dann wird auch Kylie zu Beginn in einer goldenen Muschel aus der Untermaschinerie der Bühne zwischen die Tempelsäulen hochgefahren. Der Star ist auf der Bühne, aber nicht der Mittelpunkt. Die 20 Tänzer und Tänzerinnen umschwirren sie, sodass oft gar nicht klar ist, wo sich Kylie gerade befindet. In der Dramaturgie ihrer Show geht sie zumindest im ersten Drittel unter.

Riesigen Spaß an dem Abend hat nur die große Schwulen-Gemeinde, die sich für ihr Idol mit Matrosenanzügen, Cowboyhüten und schrillbunten Fummeln fein herausgeputzt hat. Über die Videoleinwände flimmern in schneller Folge Bilder von eher spärlich gekleideten muskulösen Recken, auf der Bühne fallen die Rüstungen, und die Tänzer glänzen mit verschiedenen Hebefiguren im Lendenschürzchen. Doch wo steckt Kylie? Nach einer Viertelstunde hat sie die Bühne wieder verlassen, um diesmal auf einem geflügelten Pferd - Pegasus in der griechischen Mythologie genannt - wieder emporgeliftet zu werden. Griechische und römische Geschichte geht in dieser Inszenierung etwas durcheinander, denn mit etwas "Ben Hur" geht es weiter. Kylie lässt sich von vier halbnackten Sklaven in einem Streitwagen über die Bühne und die Laufstege ziehen. Dazu singt sie "I Believe In You", eine ältere Nummer, die sie mal mit den Scissor Sisters zusammen geschrieben hat. Text und Streitwagen passen nicht zusammen, aber das scheint egal zu sein, Hauptsache, der Zuschauer hat etwas, das seine Aufmerksamkeit erregt. Die Musik ist es an diesem Abend definitiv nicht.

Schon nach einer halben Stunde ermüdet dieses pausenlose Rumgeturne auf der Bühne mit den ständigen Kostümwechseln, man sehnt sich nach einer Sängerin, die vielleicht nur ein paar Augenblicke hinter einem Mikro verharrt oder die einen Funken Authentizität über die Rampe bringt.

Erst mit dem Eurythmics-Coversong, gefühlt Stunden später, erreicht sie jeden Zuschauer in der mit etwa 10 000 Zuschauern nicht ausverkauften Halle. Mit "Love At First Sight" und "Can't Get The Feeling" geht es uptempo weiter, und dann steigt Kylie doch noch von ihrem Pop-Königinnen-Thron herunter und spricht mit den Fans, die immerhin zwischen 66 und 250 Euro für ihre Karten bezahlt haben. "Welchen Song wollt ihr hören?", fragt sie. "Your Disco Needs You", wird am lautesten gerufen und Kylie singt ihn gemeinsam mit den Fans. Und das sogar a cappella. In diesem Moment ist die 43 Jahre alte Künstlerin ein Star zum Anfassen, der mit seinen Zuhörern sprechen kann, der wirklich singen kann, der eine natürliche Ausstrahlung hat, und man fragt sich: Was sollte diese ganze aufgeblasene Show, wenn es doch eigentlich darum geht, Gefühle zu transportieren?

Aber diese Momente sind nur von kurzer Dauer, denn im Zugabenteil wird noch mal richtig Technik aufgefahren. Als die Band anfängt zu spielen, schießen aus den Laufstegen Wasserfontänen meterhoch in die Luft, während über die Leinwände Synchronschwimmen flimmert. Kylie räkelt sich auf einem Springbrunnen wie die Bade-Venus Esther Williams es in den 40er-Jahren in zahlreichen Hollywood-Filmen getan hat, um sie herum gruppieren sich ihre Tänzer, jetzt nur mit Badehöschen bekleidet. Vier von ihnen werden mit Trapezen hochgehievt, um noch ein paar Luftkunstnummern abzuziehen. Die Fontänen schleudern derweil unaufhörlich Wasser in die Höhe, wobei die Wasserspiele auf dem See in Planten un Blomen jedoch um einiges spektakulärer und vor allem farbenfroher sind. Mit "All The Lovers" beendet "Aphrodite" Kylie Minogue dann den zweistündigen Abend. Ein Konzert war es im eigentlichen Sinne nicht, sondern eher eine opulente Tanzshow. Die hätte auch ohne Kylie über die Bühne gehen können.