Ein prominent besetztes Podium sprach auf Kampnagel über “Stadt ist Kultur“. Eine wirkliche Debatte jedoch wurde nicht daraus.

Hamburg. So viel Schönes, Gutes, Wahres über Kultur und Hamburg war in den vergangenen Wochen selten zu hören gewesen wie bei der prominent besetzen Diskussionsrunde "Stadt ist Kultur", die Kampnagel gut zwei Stunden lang zu einer Vollversammlung der Szene machte. Rund 400 Zuhörer, sehr viele vom Fach, waren gekommen.

Als Thalia-Intendant Joachim Lux sein Statement damit begann, er wolle sich dem ewigen Begründen der eigenen Notwendigkeit von Kultur verweigern, hatte auch das Hand und Fuß (obwohl er danach trotzdem ausführlich weiterredete). Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard erinnerte an die legendäre Blütezeit der Hamburger Kultur in den 80er-Jahren, schwärmte von der Sehnsucht nach "Größe, Protest und Unordnung" und stellte fürs Hier und Heute kategorisch fest: "Kultur braucht Wertschätzung."

Der Kolumnist Harald Martenstein war, gelesen von Horst Schroth, mit zwei schönen Zitaten dabei: "In der Kunst gibt es keine Gerechtigkeit, Glück spielt eine große Rolle" und, so profan wie wahr: "Ein Kultursenator ohne Geld ist überflüssig." Und dass die Filmemacherin Ulrike Grote in ihrem Hochgeschwindigkeits-Plädoyer ihre lebenslange Liebe für das Kino gestand, vom Hamburger Licht schwärmte und fand, Film sei auch ein Stück Urlaub vom Leben, war schlichtweg rührend, weil es so unmittelbar von Herzen kam.

Einen Tag nach der clever inszenierten Bekanntgabe der neuen Kultursenatorin Barbara Kisseler teilten die Organisatoren Jana Marko, Heinz Glässgen und Hans Jochen Waitz mit ihren Gästen das Glück im Unglück, die ersehnte Hoffnungsempfängerin im neuen Senat jetzt beim Namen nennen zu können, ohne sie auf Kampnagel live und in Farbe zu erleben. Ein weiterer Olaf-Scholz-Schachzug, um Widerspruch in zu seinen Gunsten geordnete Bahnen zu lenken.

Für berechtigten, frustrierten Widerspruch gegen Vergangenes und Erlittenes blieb dennoch viel Platz. Kunsthallen-Chef Hubertus Gaßner war der Erste, aber beileibe nicht der Einzige, der sich über das kurzsichtige, einfallslose und durchökonomisierte "Stärken stärken"-Mantra des hiesigen Stadtmarketings beschwerte, das außer Musicals kaum etwas über die Stadtgrenzen transportiert. Bei dieser Gelegenheit erinnerte er auch daran, dass sein Haus - mittlerweile nur noch von der Stadt gemietet - jede einzelne Ausstellung, jede Forschung und jeden Vortrag nur mit Drittmitteln realisieren kann. "Wir wären ja froh, wenn wenigstens der Betrieb finanziert wäre", sagte Gaßner. Nur durch sein bloßes Vorhandensein, schrieb er der designierten Kultursenatorin auf die furchterregend lange Aufgabenliste, produziert dieses Museum bereits tiefrote Zahlen.

Amelie Deuflhard plädierte für ein hamburgspezifisches Nachdenken über das Fördermodell des Hauptstadtkulturfonds, um Projekten aller Art mehr Spielraum zu ermöglichen und freischaffende Künstler zumindest ein wenig aus ihrem gesellschaftlich so wertvollen Prekariat zu erlösen.

Konstantin Kleffel, Präsident der Architektenkammer, prangerte die Finanzbehörden-Pläne an, das Denkmalschutzamt zu zerschlagen. Er plädierte für ein größeres Ausmaß der Bürgerbeteiligung an stadtplanerischen Prozessen. Kunstsammler Harald Falckenberg berichtete von den Mühen, die man auf sich nehmen muss, wenn man ein Museum und eine Privatsammlung unter ein Dach und in ein Fach bringen will.

Weil Kunst eben keine Ware ist, die man zuverlässig Tag für Tag in den immer gleichen Abmessungen produzieren könne wie eine Dachlatte für den Baumarkt, wies Lux darauf hin, dass Scheitern weiterhin Teil dieses Prozesses können sein muss: "Es muss am Theater auch mal etwas schiefgehen."

Wie es bei einem Thema solchen Ausmaßes wohl kaum zu verhindern ist, war der gute Wille stellenweise besser als die praktizierte Umsetzung: Elbphilharmonie-Chef Christoph Lieben-Seutter hatte wegen Fieber absagen müssen. Ausgerechnet das für Hamburg als so wichtig erachtete Themenfeld Musik, ob nun klassisch oder nicht, fehlte danach vollständig auf dem Podium. Ebenso die Literatur und die von den Teilnehmern allseits beschworene Off-Szene, und erst recht eine zuständige Stimme aus der Politik.

Und da die NDR-Landesfunkhausdirektorin Sabine Rossbach ihre Gäste im Vorfeld wohl nicht brutal genug genötigt hatte, das mit der Würze der Kürze zu beherzigen, nahmen die vermeintlichen Eingangs-Statements vier Fünftel der Veranstaltungszeit ein. Die Hauptsache - Dialog, Diskussion, Streit, Verbrüderung, Kampfgeschrei, Thesenpapier-Erstellung, was auch immer - fand danach nicht mehr statt. Alle waren sich, rechtschaffen erschöpft, einig und sich darin selbst genug.

Das reichte nicht für den jetzt in greifbarere Nähe gerückten Neubeginn, war aber dennoch ein weiterer notwendiger Anfang. Und der ist ja bekanntlich nie leicht.

Das im Anschluss an die Veranstaltung verteilte Buch "Stadt ist Kultur" mit 70 Statements steht ab dem 4. März kostenlos als Download auf der Website www.stadtistkultur.de zur Verfügung.