Die Galerie Borssenanger zeigt in ihrer Blankeneser Filiale Jan Kummers Erinnerungen an die DDR

Galerie Borssenanger. Das wirklich Scheußlichste an der DDR? Jan Kummer hat keinen Zweifel: das Essen. Mit Schaudern erinnert sich der Chemnitzer Künstler an die Ost-Nahrung in seiner Kindheit und Jugend. Fade Würstchen, eklige Dosenerbsen mit einem Klacks ranziger Butter. Umso liebevoller aber hat er die Erinnerung daran in seinen Bildern aufbereitet. Man muss wohl schon einmal gekostet haben, um erahnen zu können, welche Appetitskiller sich in der Gemüsedose mit russischer Aufschrift oder einem Teller mit einem Paar Würstchen befinden.

Auch in seinen anderen Werken und Skulpturen in der Galerie Borssenanger pflegt Kummer einen eher freundlich-ironisch gesonnenen Umgang mit DDR-Vergangenheit oder bundesrepublikanischer Gegenwart. Wenn es nicht ums Essen geht, dann um die Mühen, die man auf sich nehmen muss, um das leibliche (Un-)Wohlsein zu sichern: die Arbeit. Schweißtreibend jedoch sieht das alles bei Jan Kummer nicht aus. Eher skurril, entfremdet, ein bisschen neorauchig in seiner surrealen Mischung aus unergründlicher Gewissenhaftigkeit und auferlegter Sorgfalt. Intensiv in ihre Arbeit vertieft, hantieren Männer mit rot leuchtenden Objekten, die sie zersägen oder auf andere Weise bearbeiten.

Entstanden, so Kummer, sind diese Bilder vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise, als Reflex auf Arbeiten, die getan, aber nicht verstanden wurden. Technisch hat sich Kummer auf Hinterglasmalerei spezialisiert, genauer auf die kaum bekannte Technik der Eglomisierung, bei der noch collageähnliche Elemente hinzukommen.

Hinter spiegelglatter Fläche tauchen Bilder auf, die sich stets in unterschiedlichen Zeitzonen bewegen. In Schulklassen der 50er- und 60er-Jahre etwa. Brav sitzt da die künftige Arbeiterschaft auf den Schulbänken, eingebunden in eine rhythmische Morgengymnastik. Daneben ein einzelner Schüler vor einem rot behüteten Kaninchen. Eine Entfremdung mitten in Zeiten, die uns fremd geworden sind. Andere Werke zitieren die Wohn- und Schlafzimmerbilderkultur des 19. Jahrhunderts, die Schutzengel- und Gute-Feen-Armada bürgerlicher Haushalte. Oder sie erinnern an eine bohnenförmige DDR-Comic-Figur, die nur eines konnte: immer nur lächeln.

Als Plastiker hat sich Kummer übrigens noch einmal in die patente Kunst des Improvisierens seiner Mitbürger eingefühlt. Zu DDR-Zeiten gab es zum Beispiel im Osten äußerst wenig Mickymäuse. Also behalf sich der einfache Arbeiter mit ein paar Kronkorken. Zusammengeklebt ergaben sie die kapitalistische Inkarnation des Bösen in Gestalt der Disney-Ikone. Kummer hat diese jetzt nachgebaut, mit Kronkorken im XXL-Format. Wie der Künstler ist auch die Galerie echte Ostprovenienz, gegründet 1997 in Chemnitz. Mit der Ausstellung von Jan Kummer eröffnete sie am vergangenen Wochenende ihre erste Filiale in Blankenese.

Almanach des Lebens: Jan Kummer - Eglomisierung bis 15.4., Mi 17.00-20.00, Sa 13.00-16.00 und nach Vereinbarung, Galerie Borssenanger, Blankeneser Landstraße 83, T. 38 67 57 51; www.uwe-bullmann.de