“Nur aus Jux & Tolleranz“ macht Bastian Sick Scherze mit Sprache. Heute präsentiert er in der Laeiszhalle neue Fundstücke und Fehler.

Laeiszhalle. Er spricht nicht davon, dass er sich sein Wissen und seine Fähigkeiten selbst angeeignet habe. Nein, Bastian Sick sagt: "Ich bin der komplette Selfmademan."

Bemerkenswert, dass der populärste Beobachter der deutschen Sprache und ihres unpräzisen oder gar fehlerhaften Gebrauchs sich selbst mit einem Anglizismus charakterisiert. Aber was dem Fragesteller ein triumphierendes "Ertappt!" in den Sinn kommen lassen könnte, ist tatsächlich Ausdruck einer Sichtweise, die weit weniger dogmatisch daherkommt, als es dem früheren "Spiegel"-Fotoarchivar und -Korrektor, Autor der Kolumne "Zwiebelfisch" und heutigen Unterhaltungsunternehmer immer wieder gern unterstellt wird.

"Es gibt schöne Beispiele für Anglizismen, die mir willkommen sind, weil sie von allen verstanden werden, sich in unserem Sprachraum schnell durchgesetzt haben und kurz und prägnant sind", argumentiert Sick: "Pay-TV ist so ein Ausdruck. Ein Begriff, bei dem es keine Missverständnisse geben kann. Und Trend ist auch ein gutes, griffiges Wort, das nicht durch ein deutsches ersetzt werden muss."

Es würde sich ja auch ziemlich sperrig lesen, wenn man - am Duden orientiert - von Bastian Sick als einer "Entwicklungstendenz" berichten würde. Nein, der 45 Jahre alte studierte Romanist und Historiker aus dem ostholsteinischen Dorf Ratekau ist tatsächlich einfach ein Trend: mit millionenfach verkauften Büchern ("Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod", "Hier ist Spaß gratiniert", "Wir sind Urlaub", "Happy Aua"), CDs, DVDs und bestens besuchten Bühnenprogrammen. Mit der aktuellen Ton-und-Bild-Schau "Nur aus Jux & Tolleranz" will er heute Abend in der Laeiszhalle die Menschen zum Lachen bringen.

Etwa eineinhalb Kilometer Luftlinie von dort entfernt, in der HafenCity, hat Bastian Sick mit dem Beginn der Selbstständigkeit im Sommer 2009 die Kommandobrücke seines kleinen Unternehmens (eine Assistentin, ein bis zwei Aushilfen) eingerichtet. Aus dem bewohnbaren Büro hat man einen wunderschönen Blick über den Sandtorhafen elbabwärts, und Kapitän Sick ist sichtlich zufrieden mit sich: "Ich kann sehr stolz sein auf das, was ich geschaffen habe", sagt er. Und erinnert sich daran, dass er am Anfang seines Erfolges nicht nur Zuspruch erfahren hat. "Dass jemand aus den unteren Reihen des 'Spiegels' plötzlich eine eigene Kolumne bekommt und die in Buchform gebündelt ein Bestseller wird, das hat dort nicht nur Anerkennung erzeugt", formuliert er diplomatisch, was andere als puren Neid bezeichnen würden.

Kleider machen Leute, sagt man. Und nicht erst seit im Zuge der Promotionsaffäre Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg Gegenstand teils sehr witziger Spöttereien geworden ist, wissen wir auch: Leute machen Wörter. Auch Sick inspiriert Rezensenten schon mal dazu, neue Begriffe zu erfinden. Die schreiben dann, wie im Trierer Magazin "hunderttausend.de", nicht mehr von den Besuchern seiner Vorstellung, sondern bezeichnen das Publikum als "Sickeria".

Deren Kennzeichen ist, dass sie sich über Stilblüten und sprachliche Fehler gern ausgelassen amüsiert. Mal mit sehr viel Häme über andere, meistens aber ohne. Denn Bastian Sick hat die Fähigkeit, seinen Anhängern vor allem deren eigene kleine Schwächen und Eigenheiten charmant aufbereitet vor Augen und Ohren zu halten. "Das sind die besten Lacher", sagt Sick, "wenn sich die Leute auf witzige Weise ertappt fühlen, ohne bloßgestellt zu sein."

Was in dieser Hinsicht (außer Gedanken über den falschen Gebrauch des "Binde-Strichs" und einer Abrechnung mit unsinnigen Verniedlichungsformen wie "Salätchen") für Hamburg auf dem Pointenplan steht, soll eine Überraschung bleiben; für die Region Trier und Saarland war es beispielsweise das Phänomen der beiden Begriffe "holen" und "nehmen".

Deren Bedeutung ist weit im Westen die umgekehrte wie im großen Rest des deutschen Sprachraums. Wenn Sick dann live auf der Bühne erläutert, dass man im Saarland den Bus holt statt nimmt, dass man Verantwortung nicht übernimmt, sondern überholt , bei einer Diät drei Kilo abholt und - "wenn's ganz schlimm kommt" - sich das Leben holt , dann ist der Abend stimmungsmäßig schon gelaufen, und zwar bestens.

Wo regionale Besonderheiten dieser Art immer auch etwas sehr Liebenswürdiges an sich haben, könnte es sein, dass unbedacht begangene Fehler einem sprachgewandten Spezialisten wie Sick mindestens Unbehagen bereiten, schlimmstenfalls sogar Schmerzen. Ist aber nicht so. "Ich lebe von ihnen", hält Sick dem lapidar entgegen, "Fehler sind meine Freunde."

Bastian Sick: "Nur aus Jux & Tolleranz" heute 20.00, Laeiszhalle (U Gänsemarkt), Johannes-Brahms-Platz, Karten zu 20,47 bis 35,15 tagsüber in den Abendblatt-Ticketshops, T. 30 30 98 98, sowie (ggf. plus Gebühren) an der Abendkasse; Infos im Internet unter www.bastiansick.de