Hamburg. George Bernard Shaw brachte einst im Schauspiel "Mrs. Warren's Profession" eine junge Emanze auf die Bühne, lange bevor dieser Begriff existierte. Seine kritische Analyse der heuchlerischen englischen Gesellschaft führte - heute kaum noch vorstellbar - bei der Uraufführung 1902 zu einem Skandal und wurde verboten. Nun zeigt das English Theatre diese Perle der britischen Konversationskomödie in einer fesselnd und präzise gespielten Inszenierung von Julian Woolford.

"Wer bist du? Was bist du?", fragt die Tochter ihre Mutter. Vivie Warren hat keine Ahnung von Kittys dubiosem Gewerbe. Sie managt mit dem skrupellosen Geschäftskompagnon Sir George Crofts eine Bordellkette auf dem Kontinent und ermöglicht so ihrer Tochter erstklassige Erziehung und Luxusleben. Beide Frauen sind letztlich aus gleichem Holz geschnitzt. Sie lieben Geld, sind geschäftstüchtig, pragmatisch und unabhängig. Doch Vivie, die Jennifer Kidd geradlinig, aber nicht gefühl- und humorlos zeichnet, will eine respektable Frau sein und trennt sich ohne Handschlag von Mama. Der anfängliche Small Talk zwischen den beiden Frauen steigert sich dramatisch zum existenziellen Generationskonflikt und spiegelt aktuell das Einfordern von "alten Werten" - von Ethos, Gleichberechtigung und Menschlichkeit - in der auf Geld, Profit und Oberfläche fixierten Mediengesellschaft.

Jilly Bond, vom ersten Auftritt an aufgedonnert und imposant im Kostüm der Jahrhundertwende (Patricia Royo), eine Dame aus der Demimonde, und Kidds resolute Vivie liefern sich ein packendes Schlussduell. Doch auch die zwischen höflicher Konvention und verächtlicher Ablehnung ausbalancierten Szenen zwischen dem skrupellosen Crofts (Christopher Knott), Kitty und Vivie sind Höhepunkte nuancierter Konversationskunst in Mathias Wardecks Salon, der durch eine idyllische Landschaftstapete flexibel als Innen- und Außenraum dient. Kittys zwielichtige Freunde - der exzentrische Kunstfreund (David Alcock) und der bigotte Pastor (Tony Stansfield) mit seinem charmanten Hallodri von Sohn (Joel Sams) - sorgen für Komik in Shaws sprachlich pointierter Abrechnung mit damaliger wie heutiger Zeit.

Mrs. Warren's Profession bis 23.4., The English Theatre of Hamburg (Bus/U Mundsburg), Lerchenfeld 14, Karten T. 22 77 089; www.englishtheatre.de