Gelungene Premiere des Ein-Mann-Musicals “Ganz allein. Eine Nacht mit Roy Black“ im Kehrwieder-Theater

Hamburg. Mehr als eine Flasche Whisky leert Urs Affolter an diesem tragikomischen Premierenabend: von "Ganz allein. Eine Nacht mit Roy Black" im Kehrwieder-Theater. Der Whisky ist in Wahrheit Fencheltee mit Honig und Zitrone, alles andere wirkt echt. In dem Ein-Mann-Stück spielt Affolter noch bis zum 20. März im abgewetzten Bademantel einen Mann namens Theo, dessen geliebte Frau Sabine an Krebs gestorben ist. Das Alleinsein fällt ihm schwer, immer wieder fragt er laut nach seiner "Gazelle".

Nun, selbst mit einem Herzleiden im Krankenhaus, versucht er nachts mit ihr zu sprechen. Von Herz zu Herz, ganz wie es Sabines größtes Idol Roy Black immer besungen hat: "Ich träume mich zu dir." In diesen Träumen, durchzogen von Alkohol, redet Theo mit seiner Frau, der er einen kleinen Altar auf dem Kühlschrank gebaut hat. Im Laufe des Abends streift Affolter als Theo seinen Bademantel ab, um sich für Sabine in Roy Black zu verwandeln. Mit fein zurechtgekämmter schwarzer Perücke auf dem vorher zerzausten Kopf will er dessen größte Hits performen, in der Hoffnung, dass Sabine zu seiner Vorstellung kommt.

Die Dekonstruktion von Stücken wie "Eine Rose schenk ich dir" oder "Ich träume mich zu dir" gelingt überraschend gut: In nur auf Bodo Reinkes beschwingtes Klavierspiel reduzierten Versionen von 15 Hits klingen Zeilen wie "Jeden Abend kommt die Stunde, wo mein Herz mit deinem spricht" nicht mehr nach Schlager-Schmalz, sondern werden zu sehnsuchtsvoller Poesie. Eindrucksvoll auch Affolters sich wandelnder Gesang. Je mehr sich Witwer Theo in Roy Black verwandelt, desto klarer wird auch seine Stimme.

Zu loben ist allerdings vor allem die "Nicht-Musical-Seite" der Inszenierung: Regisseur Cornelius Knüpfer zeigt in seiner Geschichte einen realistischen Einblick in das Leben eines Mannes ohne Lebensmut, dem durch einen schweren Verlust der Boden unter den Füßen entzogen wurde. In paranoiden Selbstgesprächen macht Theo seiner Angst Luft, artikuliert seine Krankheit; da ist nichts mehr von Show zu spüren. Diese Passagen spielt Urs Affolter an manchen Stellen so überzeugend, als tränke er auf der Bühne doch echten Whisky und kämen die Schweißperlen auf seiner Stirn nicht von den Scheinwerfern, sondern vom angstvollen Herzrasen.