“Schlechte Gesellschaft“ ist Katharina Borns Debütroman. Die Autorin legt eine Familiengeschichte vor, der eine starke Erzählstimme fehlt.

Hamburg. Als Leser tut man sich schwer mit Katharina Borns Debütroman "Schlechte Gesellschaft", dabei muss wenigstens die Autorin eine Menge Spaß gehabt haben. Zum einen wurde sie 2009 auf, wenn man so will, prominente Weise dazu motiviert, diese "Eine Familiengeschichte", wie der Roman im Untertitel heißt, zu Ende zu schreiben: Katharina Born, geboren 1973 in Berlin, wurde für ein Exzerpt ihrer ersten literarischen Unternehmung beim renommierten Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb ausgezeichnet. Zum anderen stopfte die Debütantin nach Herzenslust all das, über was sie vielleicht immer schon schreiben wollte, in ein 265-Seiten-Buch.

Zum Beispiel ihre Erfahrungen, die sie als Nachlassverwalterin ihres Vaters, des interessanten Autors Nicolas Born, gemacht hat. Born taucht in "schlechte Gesellschaft" als Peter Vahlen auf, als eine Figur der 68er-Revolte, die einer Dorf-Dynastie im Westerwald angehört. Dort, in einer Villa, leben die Witwe, die Tochter und die Enkelin des früh verstorbenen Romanciers und verwalten irgendwie auch eine "dunkle Geschichte", nämlich die eigene zweifelhafte Herkunft: Im Familienstammbuch finden sich arme Schlucker, adoptierte Findelkinder, steile Nazis und vor allem auf sich allein gestellte Frauen.

Drei von ihnen kämpfen in der Erzählgegenwart um die Familiengeschichte, die im Kaiserreich beginnt und zwei Kriege überstehen muss. Nettes Gimmick Borns: das Einarbeiten einer Meta-Ebene. Was da ein ehrgeiziger Doktorand der Germanistik nämlich gegen den Willen vieler ausgräbt auf dem Dachboden (er wird später brennen), ist nicht nur ein Briefwechsel mit dem alten Freund-Konkurrenten Vahlens, dem verlotterten Dramatiker Gellmann, sondern ein Manuskript, das sich genau mit den Verästelungen des Stammbaums beschäftigt, das die Fantasie Unbeteiligter so anregt.

Denn Vahlen hatte einen Riesenhit, den Roman "Westerwald". Er wurde als Fernsehserie noch berühmter. Die Frage wäre jetzt, ob Born vielleicht auch der Sinn danach stand, ihre Familiengeschichte filmisch zu erzählen, in vielen Episoden nämlich, wie es etwa die grandiosen Mafia-Epen tun. Sollte das der Fall gewesen sein, ist das völlig misslungen. Borns Roman, so anziehend sein Thema im Einzelnen auch sein mag, ist in erzählerischer Hinsicht ein Torso. Es gibt keine starke Erzählerstimme, die die im Grunde doch riesenhafte Handlung zusammenhält. Die Episoden reihen sich aneinander und springen beherzt zwischen den Personen und Zeiten hin und her. Das wirkt unbeholfen und unbedarft, aber anders ließe sich der Stoff wohl nicht bewältigen.

Die Sprache ist wenig ambitioniert: "Die Straßen wurden kurviger, die Landschaft war (...) von einer so malerischen Schönheit, dass man sie, wie Gellmann meinte, kaum beschreiben konnte, ohne pathetisch zu werden." (tha)

Katharina Born: Schlechte Gesellschaft . Hanser-Verlag. 265 Seiten, 19,90 Euro