Sie trinkt Whisky und raucht wie ein Schlot - die unzähmbare Caitlin Rose ist das große Talent der alternativen amerikanischen Country-Szene

Prinzenbar. Eine hübsche junge Frau, die 1987 geboren wurde und nicht gerade ein erzkonservatives Dixie-Chick ist, sieht ihre künstlerische Ausdrucksform in der Regel nicht in der Country-Musik - sondern eher als Frontfrau eines angesagten Elektro-Duos oder mit einer E-Gitarre und zerrissener Strumpfhose in einer Garagenrock-Band. Doch die so junge wie unkonservative Caitlin Rose aus Nashville, Tennessee, gehört mit ihrem Album "Own Side Now" für viele zum Besten, was dem Genre passieren konnte.

Es war eine der Platten des Jahres 2010, sagt der "Rolling Stone", vier von fünf Sternen verteilen das "Q Magazine", "Uncut", "Sun", "Mirror", "Observer" und überhaupt jeder, der für relevante Musik wichtig ist. Und auch der trendorientierte "NME" lobt die Verwundbarkeit in Roses Stimme, die auf der einen Seite wie aus einer alten Jukebox klingt und gleichzeitig frisch und zeitgemäß. Ja, vielleicht wie die Glockenstimme einer Frau in der Kirche, die noch am Abend zuvor den Whisky aus der Flasche trank.

Caitlin Rose war nicht immer Country - als Teenager rebellierte sie gegen die Musik ihrer Heimat und das Vorbild ihrer Eltern aus der Country-Szene mit der ablehnenden Kraft des Punk. Etwas davon hat sie sich behalten: Sie raucht wie ein Schlot und trinkt wahrscheinlich jeden Tennessee-Whisky-Braumeister unter den Tisch. Doch nicht nur das: Im Rose-Country steckt auch Rock, manchmal bauen sich drängende Gitarren in ihren Songs auf. Es scheint, als nähere sie sich dem Country von einer anderen Seite.

In den letzten Jahren nahm neben dem Folk auch der Country eine immer wichtigere Rolle in der Indie-Musik ein, der sogenannte Alternative-Country, der vielfach auch um das Label Saddle-Creek entstand, auf dem Bands wie Bright Eyes, The Good Life, Rilo Kiley, aber auch Fleet Foxes, Band Of Horses oder Ryan Adams erscheinen. Natürlich ist die Zuschreibung nicht immer eindeutig, aber die Tendenz der letzten Jahre war klar erkennbar. Der Pop hat wieder auf den Untergrund reagiert und so einige Country-Pop-Sternchen mit zum Teil eigenen Parfümkreationen und Fanartikeln erschaffen wie die unschuldig rüberkommende Taylor Swift. Doch während die erfolgreiche Swift an eine romantische Britney Spears in ihrer Frühphase erinnert, ist Caitlin Rose eher der Outlaw - mehr Willie Nelson und Hank Williams als Shania Twain.

Caitlin Rose bewegt sich auf ihrem Debüt "Own Side Now" zwar auf vorgesteckten Wegen eines uramerikanischen Stils, doch sie hat keine Angst, diesen Weg zu verlassen, vielleicht gar neue Markierungen zu setzen. Die Schlüsselthemen des Country erweitert die 23-jährige Sängerin mit dem Selbstbewusstsein einer neuen Generation. Und so porträtiert die Amerikanerin lieber junge Alkoholiker, die sich betrunken auf Hinterhofhochzeiten verlieben, als von der perfekten Liebe auf dem Rücken eines Mustangs im Sonnenuntergang der Prärie zu schwafeln.

Das Stück "Shanghai Cigarettes" zum Beispiel schrieb sie nach dem Ende einer längeren Affäre ("Zum Glück hat das Arschloch Schluss gemacht!"), in "Own Side" geht es um "tote Orte", darum, dass man immer mehr Alkohol in sich hineinschüttet und einfach nicht betrunken wird und sich in seinem Selbstmitleid völlig vor den Freunden blamiert. Wenn sie davon erzählt, wie sie das tolle "Sinful Wishing Well" geschrieben hat, aber zu stoned war, um es richtig aufzunehmen, merkt man, dass Caitlin Rose anders ist. Und so werden heute in der Prinzenbar wenig Country-Jünger sein - die Zeiten ändern sich.

Caitlin Rose heute, 21.00, Prinzenbar (U St. Pauli); Kastanienallee 20, Eintritt 16,-; Internet: www.thecaitlinrose.com