Céline Rudolph gab einen großen kleinen Abend im Carls

Hamburg. So tot die HafenCity nachts erscheinen mag: In manchen ihrer verborgenen Innenräume mehren sich die Lebenszeichen. Alle paar Wochen öffnet die gegenüber der Baustelle der Elbphilharmonie gelegene Brasserie Carls ihren Salon privé, dessen Fenster ebenerdig zur Elbpromenade gehen, für musikalische Abende. Am Sonntag stand Carls Kultursalon im Zeichen des Elbjazz-Festivals. Während vom anderen Ufer des dunklen Stroms die Lichter blinkten und weißer Qualm aus Schornsteinen quoll, stimmte Tina Heine, eine der beiden Initiatorinnen, das Publikum mit zwei kleinen Showcase-Auftritten von Jazz-Echo-Preisträgern auf die diesjährige Elbjazz-Ausgabe am 28./29. Mai ein.

Zunächst solierte der schwedische Pianist Martin Tingvall recht wohlerzogen am hell klingenden Stutzflügel. Seine Themen und Motive wirken in ihrer skandinavischen Liedhaftigkeit oft wie die Antithese zum Blues. gab Céline Rudolph mit ihrem Begleiter Rüdiger Caruso Krause an der akustischen Gitarre einen Vorgeschmack auf ihr neues Album, das um das Oeuvre des französischen Chansonniers und Rockstars Henri Salvador kreist. Der Auftritt war ein Meisterstück des Understatements.

Rudolph hat die Chansons so ins Deutsche übertragen, dass der Geist der Lieder auch den erreicht, der die Originale nicht kennt. Und die Wörter rollen ihr aus dem Mund wie gesungene Küsse. Die Lieder erzählen von frivolen Sehnsüchten, vom Reisen und von einem Zuhause, das überall ist und nirgends. Beim Chanson über die Eifersucht, die ungebeten ins Haus der Liebe kommt und so viele andere ungebetene Gäste mitbringt, den Zweifel, den Verrat, die Bitterkeit, stockte vielen im Salon der Atem. So lebensklug und wahr kann ein kleines Lied sein, wenn man es so anstrengungslos singt wie Céline Rudolph. Wie ihr Idol Salvador hat auch sie eine tiefe Beziehung zu Brasilien. Mühelos durchwandert sie Sprachräume, Klangräume, Atmosphären. Ein großer kleiner Abend.