Hamburg. Auf dem Papier las sich das Programm, das der Dirigent Peter Rundel für sein Gastspiel in der NDR-Reihe "das neue werk" zusammengestellt hatte, wie ein Filetstück der vergleichenden Musikwissenschaft: Charles Ives und Bernd Alois Zimmermann, die Urväter des Pluralismus und Großmeister der Zitatcollage, wurden am Freitag im Rolf-Liebermann-Studio in zwei symmetrisch angelegten Konzerthälften klug aufeinander bezogen.

Doch was dann musikalisch Funken schlug, war weniger der intellektuelle Überbau, sondern der unmittelbare, bodenständige Ausdruckswille beider Komponisten. In Zimmermanns Trompetenkonzert etwa hörte man ganz unverstellt die Lust, es richtig grooven zu lassen. Und der ebenso Jazz- wie Neue-Musik-erfahrene Solist Jeroen Berwaerts gestaltete seinen Part als eindringliche, beinahe sprachhafte Klangrede. Die fünf "Rheinischen Kirmestänze" des Rheinländers Zimmermann zeugten nicht nur von der Kunstfertigkeit eines großen Musikparodisten, sondern vor allem auch von dessen Liebe zum Musikantischen.

Auch der für seine Neigung zur komplexen Collage bekannte Ives scheint tief im Herzen eher ein gradliniger, urwüchsiger Yankee gewesen zu sein. Das NDR Sinfonieorchester meisterte die rhythmischen Delirien von Ives' Musik unter Rundels präziser Leitung souverän. Doch musikalisch zünden und menschlich berühren konnten dessen Orchestral Set No. 2 oder die Ragtime Dances vor allem dort, wo der NDR Chor weihevoll aus dem Off singen oder die Blechbläser Ives' geliebte Hymnen und Gassenhauer mit Macht hinausposaunen durften.