Seine Schüchternheit hat er abgelegt. Der US-Musiker und sein Projekt Iron and Wine setzten in der Fabrik Maßstäbe für das Konzertjahr.

Hamburg. Der Bart ist gestutzt und nicht mehr so biblisch lang wie noch vor drei Jahren, die Haare ebenfalls. Auch seine frühere Schüchternheit hat Sam Beam abgelegt. Als er mit den Songs zum Album "The Sheperd's Dog" auf Tournee war, murmelte er die Ansagen weitgehend unverständlich ins Mikro. Beim Tourneeauftakt von Iron and Wine in der fast ausverkauften Fabrik zeigt Beam sich als charmanter Mittelpunkt seiner Band. Er plaudert mit dem Publikum, er macht Scherze und scheint allerbester Laune zu sein - was angesichts der exquisiten siebenköpfigen Band kein Wunder ist.

Der Abend beginnt mit "Tree By The River" aus dem jüngsten Album "Kiss Each Other Clean". Ein ergreifendes Liebeslied, von Sam Beam mit sanfter Stimme gesungen und jene Art von Kammer-Pop, die sein viertes Studio-Album ausmacht. Doch mit der nächsten Nummer schlägt der in Texas lebende Sänger und Gitarrist andere Töne an. Die Musik wird laut und elektrisch, die Musiker fangen an zu improvisieren, vor allem der Saxofonist liefert sich mit Beam ein wildes Duell. Fast zehn Minuten dauert dieser Exkurs in nahezu Jazzrock-artige Gefilde. "Mal ein Saxofonsolo, das ich ertragen kann", raunt jemand im Publikum. Dem Rest der Zuhörer scheint es ähnlich zu gehen, denn es spendet enthusiastischen Beifall für diese überraschende Nummer.

Das Konzert geht mit diesem Wechselspiel zwischen ruhigen Folksongs und lautem, progressivem Rock weiter, wie er in den späten 60er- und frühen 70er-Jahren gespielt wurde. Manchmal scheint es, als wolle Sam Beam in die Fußstapfen des legendären Jerry Garcia treten, einst Spiritus Rector der Psychedelic-Rockband The Grateful Dead.

Auch die Dead benutzten Country- und Folkssongs als Basis für endlos lange Improvisationen. Aber es gibt auch noch die andere, die sanfte Seite von Sam Beam und seinem Projekt Iron and Wine. Wenn er mit seiner klaren und hellen Stimme "Rabbit Will Run" singt, fliegen ihm die Herzen zu.

Nicht nur die unterschiedliche Dynamik und die geschickte Dramaturgie machen diesen Auftritt zu einem außergewöhnlichen Abend, selten erlebt man Songs von so großer klanglicher Vielfalt, in denen jeder Schnörkel wohlüberlegt ist. Obwohl die Tournee gerade erst begonnen hat, präsentieren sich die acht Musiker als Einheit. Wenn man dann noch zu grooven versteht und Melodien wie in "Monkeys Uptown" und "Walking Far From Home" im Repertoire hat, ist man als Band ganz vorne. Mit diesem Konzert haben Sam Beam und Iron and Wine Maßstäbe für das Konzertjahr 2011 gesetzt.