Gleich dreimal brachten die Musiker die Zuschauer in der Laeiszhalle zum Mitgrooven

Hamburg. Was sind schon ein paar Jahrhunderte? Eigentlich liegen Barock und Jazz ganz nah beieinander. Könnte man jedenfalls meinen nach dem jüngsten Sonderkonzert der Reihe NDR "Das Alte Werk", das wegen der Nachfrage gleich dreimal gegeben wurde: "Baroque meets Jazz", lautete sinnfällig die Überschrift zu der Begegnung zwischen der Theorbistin Christina Pluhar, ihrem Ensemble L'Arpeggiata und der italienischen Sängerin Lucilla Galeazzi einerseits und dem Jazzposaunisten Nils Landgren und drei Herren von der NDR Bigband andererseits.

Zwei Dinge verbinden Barock und Jazz ganz besonders: Beide kennen die Freiheit der Ausgestaltung - ob sie nun Improvisation heißt oder Verzierung. Und beide leben vom Maß und Schwung eines Grundrhythmus. Der sogenannte Walking bass ist seit Menschengedenken die zuverlässigste Methode, die Zuhörer aus ihrer passiven Rolle zu holen und zum Mitgrooven zu bringen.

Das hat auch im Liebermannstudio so prächtig wie erwartungsgemäß funktioniert. Aus barocken Tanzsätzen wie Ciaccona oder Tarantella, die sich im Rhythmus von Gitarre oder Theorbe drehten, erwuchs zuverlässig ein Jazz-Gespräch zwischen den Künstlern, mit augenzwinkernd virtuosen Soli und grandiosen Schlusssteigerungen.

So weit, so absehbar. Die wirkliche Überraschung lag in der Subtilität des Zusammenspiels, in der Innigkeit, den Farben und Stimmungen, die die Musiker zauberten. Da verschmolz die Klangfarbe des Zink, des lederbezogenen Vorläufers der Trompete, mit der des Saxofons und die der Barockvioline mit Landgrens samtweichem Posaunenklang. Da spielten die beiden Perkussionisten einander an, als würden sie schon immer zusammen improvisieren. Der Cembalist wechselte so diskret zum Klavier, dass die Übergänge nicht zu merken waren. Niemand drängte sich in den Vordergrund bei den Improvisationsstrecken. Nur eines wäre mal interessant zu hören gewesen: Wie man den umgekehrten Weg geht, nämlich von einer Jazzimprovisation aus ein barockes Werk einfädelt.

Das Herz des Abends aber war eine, die sich weder auf Barock noch auf Jazz festlegen lässt: Lucilla Galeazzi, aus Umbrien stammend, hat in den Jahrzehnten ihrer Karriere ihren ganz eigenen Stil entwickelt. Ihre selbst geschriebenen Lieder klangen archaisch, nach Volkston, nach einem Italien voller Abgründe und ganz ohne Kitsch oder das seit Goethezeiten überbrachte Sehnsuchtspotenzial. Sie sang sie mit geradezu iberisch rauchigem Timbre und einer berückenden Bühnenpräsenz zwischen Melancholie, Witz und Erotik - diese Frau braucht kaum eine Handbewegung, kaum Mienenspiel, um ihre Botschaft zu transportieren. Es war ein Erlebnis, wie sich die Musiker in diese Klänge mischten, ohne ihren je eigenen Stil zu verraten.

So was kann eben dabei herauskommen, wenn Leute zusammenkommen, die Lust haben zu spielen - und Lust haben, einander zuzuhören. Dann braucht man schon fast kein Etikett mehr draufzukleben. Strahlende Gesichter bei den Musikern, anhaltender Jubel im Publikum.