Ob Eros Ramazotti oder Luciano Pavarotti - Musik aus dem Land der menschgewordenen Nachtigallen steht bei den Deutschen hoch im Kurs.

Lena-Manie hin, Unheilig-Hysterie her: Zu den beständigsten Freudenbringern im Ohr des Deutschen gehört noch immer Musik aus Italien. Wir sind so unrettbar italophil, dass bei uns selbst jemand wie Eros Ramazzotti in der Kategorie "Beste Musik International" mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet werden kann.

Egal ob Pizzeria-Pop alla Al Bano und Romina Power oder Schlüpferstürmer-Balladen alla Drupi, ob Opern-Ohrwurm-Pop alla Pavarotti oder Möchtegern-Blues alla Zucchero, ob Intellektuellen-Pop alla Lucio Dalla und Paolo Conte oder Rock alla Gianna Nannini: Wir finden das einfach alles toll, wenn die vom Stiefel ihren Stiefel singen. Ausdruck wohl auch einer seltsam unstillbaren Sehnsucht nach dem Land, wo die Zitronen blühen und in das sich unsere Eltern in den ersten Wirtschaftswundersommern in ihren Kleinwagen aufmachten, wobei so mancher Kühler am Brenner verglühte.

Worüber die Barden singen und auf welchem Niveau sie ihre Stimmen erheben, war wahrscheinlich schon Goethe herzlich egal, im wahrsten Sinne des Wortes einer der Vorläufer der in die Italianitá an sich verknallten Deutschen. Hauptsache italienisch!

Nun sind die Azzurri aber mit einer Sprache gesegnet, bei der dem Teutonen das dicke Blut schon in den Adern zu flutschen beginnt, wenn er sie bloß gesprochen hört. Und die Italiener, diese zigmillionenfach Mensch gewordenen Nachtigallen, wissen, dass in ihrem Idiom der Unterschied zwischen Sprechen und Singen etwa dem zwischen einem Brunello und einem Amarone entspricht. Beide unanständig süffig, samtig, zum Niederknien.

Die "Caprifischer" waren Traumatherapeuten und Lockvögel

Als Knödelkönig Rudi Schuricke 1949 bei Capri die rote Sonne im Meer versinken ließ, gingen bei manchen auch die schlimmen Erinnerungen an den Krieg im Meer des Vergessenwollens unter, wenigstens für ein paar Minuten. Die "Caprifischer" waren Traumatherapeuten und Lockvögel. Während wir in den 50er-Jahren die Strände an Adria und Riviera zum Teutonengrill umfunktionierten, kamen Italiener als Gastarbeiter nach Deutschland, kurbelten die Wirtschaft an und zivilisierten uns sukzessive mit Pizza, Nudelvariationen aus Hartweizen, dem Gebrauch von frischen Kräutern, trinkbarem Kaffee - und mit ihrer Musik.

Die Klassikfreaks wussten damals schon, dass Italiens größte Bodenschätze knapp oberirdisch wachsen - auf der Opernbühne. Sie sind ergiebig bis auf den heutigen Tag, ob die Gewächse nun Cecilia Bartoli heißen oder Luciano Pavarotti oder Vittorio Grigolo. Und selbst wenn den Interpreten zunehmend Konkurrenz aus anderer Herren Länder erwächst - das Repertoire, mit dem diese brillieren, ist immer noch vorzugsweise italienisch. Die herrlichen Barock-Ekstasen einer Simone Kermes: neapolitanische Oper!

Wir germanischen Holzzungen haben jahrzehntelang dafür gebüßt, dass wir Nachfahren nicht nur der Dichter und Denker, sondern eben auch der Richter und Henker sind. Erst vor ein paar Jahren hat sich die Sprech- und Singstarre im deutschen Pop gelöst. Heute wagt sich der Nachwuchs wieder ans musikalische Reimen und melodiöse Singen. Aber dem Schmelz unserer Lieder sind Grenzen gesetzt.

Ist es so, dass eine gesangliche Sprache zwangsläufig schöne Melodien hervorbringt? Bei den Briten ist das ja ähnlich. Klingt immer irgendwie gut, was die singen, auch wenn's der größte Schwachsinn ist. Und die Melodien im englischen Pop sind sogar noch besser als die aus Italien, wahrscheinlich, weil bei denen öfter schlechtes Wetter ist. O sole mio!

Die italienische Nacht mit Bastardo Ruebsamo & Ricardo D'Argento, Fr 11.2., 22.00, Komet (S Reeperbahn), Erichstraße 11; www.komet-st-pauli.de

Zucchero Fr 1.7., 19.00, Stadtpark (S Alte Wöhr), Saarlandstr./Jahnring, Karten zu 49,70 im Vorverkauf