Thomas Heinze und Herbert Knaup über die Frage, wie viel Wahrheit eine Partnerschaft verträgt - und das Geheimnis einer langen Ehe.

Hamburg. "Die Wahrheit" heißt ein Stück des jungen französischen Autors Florian Zeller, das am Sonntag im St.-Pauli-Theater Premiere feiert. Es handelt vom Klassiker aller Themen: vom Verhältnis zwischen Mann und Frau, davon, wie sie's mit der Treue halten und ob man einen Ehebruch beichten soll - oder nicht.

Nie ist es schwieriger zu entscheiden: Will man die Ehe weiterführen, will man die Affäre beenden, ist man Opfer oder Täter? Zum Beispiel, wenn ein Mann eine Affäre mit der Ehefrau seines besten Freundes hat. Wie in diesem Stück. Au wie! Die Beteiligten, gespielt von Herbert Knaup, Leslie Malton, Thomas Heinze und Johanna Christine Gehlen, geraten dabei in die komischsten Momente. Wir sprachen mit den beiden Darstellern über die heikle Situation zwischen Versteckspielen, Lüge und Wahrheit.

Hamburger Abendblatt: Finden Sie es wichtig, lügen zu können?

Thomas Heinze: Ja. Weil nicht jeder die ungeschminkte Wahrheit verträgt. Wenn ich etwa einen Film von einem Kollegen sehe, und er fragt mich, wie ich ihn fand, würde ich nie sagen: fürchterlich! Selbst wenn es stimmt.

Es gibt auch konstruktive Kritik.

Herbert Knaup: Ha! Das ist eine schöne Umschreibung für eine Lüge.

Wann sagt man sich unter Freunden oder als Paar die Wahrheit?

Knaup: Selten.

Heinze: Ach, das weiß ich gar nicht. Wenn mich meine Frau vor dem Ausgehen fragen würde, wie sie aussieht, würde ich ihr schon sagen, wenn etwas nicht stimmt.

Knaup: Wirklich? Dann muss man noch länger warten, bis sie fertig ist. Da sagt man lieber: 'Du siehst großartig aus.'

Ja, das wollen Frauen hören. Immer. Der Satz ist immer goldrichtig, selbst wenn er nicht stimmt.

Knaup: Genau. Ich habe auch ziemlich spät erst begriffen, dass Männer gar nicht gut aussehen müssen. Die können auch 'ne Glatze haben. Hauptsache, in der Hose ist was los.

Heinze: Und im Kopf.

Knaup: Im Kopf auch. Aber nicht zu viel. Die Frau ist sowieso immer intelligenter als der Mann.

Michel, der Ehebrecher in Zellers Stück, ist ein charmanter Kerl, als Ehemann hätte man ihn aber lieber nicht. Der findet für alles eine Entschuldigung.

Knaup: Ja, das ist ein Typ, der sich aus allem rauswinden kann.

Heinze: Ich kenne aber auch keine Frau, die einen Mann will, der nur bei ihr zu Hause sitzt. Natürlich sagen das alle, aber es stimmt nicht.

Knaup: Michel ist ein Chauvi. Das ist selten, wir müssen ja heute Mann und Frau in allem sein.

In diesem Stück betrügt ein Mann nicht nur seine Frau, sondern auch seinen besten Freund. Dessen Frau will alles beichten, er ist dagegen, bekommt aber selbst etwas gebeichtet. Ist das Notwehr oder die Wahrheit?

Heinze: Dürfen wir nicht verraten. Nur so viel: Wenn sich alle die Wahrheit sagen würden, gäbe es wohl keine Beziehungen mehr.

Knaup: Michel, die Figur, die ich spiele, sagt, es wäre das Ende der Zivilisation, wenn wir aufhören würden, uns zu belügen. Ich muss also so raffiniert lügen, dass es auch die Wahrheit sein könnte.

Das gilt aber auch im Beruf. Wer sagt denn seinem Chef, dass er peinlich ist?

Knaup: Da wird man dann entlassen.

Also kann man weder in der Liebe noch am Arbeitsplatz die Wahrheit sagen. Und wie ist es mit dem besten Freund?

Knaup: Von dem erwartet man selbstverständlich Ehrlichkeit. Aber das ist schmerzhaft. Wenn das Vertrauen zerbricht, ist man am Ende. In unserem Stück rudern sie alle ganz schön herum.

Im vergangenen Jahr hat ein Autor im Selbstversuch 40 Tage aufs Lügen verzichtet und ist dabei ziemlich angeeckt.

Heinze: Der muss jetzt wahrscheinlich auf einer einsamen Insel leben.

Knaup: Der ist bestimmt allen auf die Nerven gefallen.

Heinze: So was ist total uncharmant.

Knaup: Das Stück, das wir spielen, kommt allerdings aus Frankreich. Dort geht man mit dem Thema Ehebruch anders um, es wird gesellschaftlich eher toleriert.

Ist es wichtiger, ehrlich zu sein oder zu lügen in einer Beziehung?

Knaup: Man will ja eigentlich nicht lügen. Ich versuche Themen, bei denen ich lügen müsste, zu umgehen.

Heinze: Manchmal setzt man durch Wahrheit beim Partner Fantasien und Ängste frei, die gar nichts mit der Realität zu tun haben. Die Faszination für einen anderen Menschen muss nicht zwangsläufig an eine Ablehnung des Menschen, den man zu Hause hat, gekoppelt sein. Aber es wird so empfunden. Kommt es zum Ehebruch, kann damit wohl niemand sachlich umgehen.

Knaup: Das glaube ich auch. Man bürdet dem Partner damit eine Verantwortung auf. Und derjenige, der fremdgeht, ist viel besser vorbereitet. Meist erzählt man nur etwas, wenn man sich eigentlich schon entschieden hat. Und das hat etwas Berechnendes.

Ist Fremdgehen so ziemlich das Schlimmste für eine Beziehung?

Knaup: Das Schlimmste ist wahrscheinlich, wenn man zusammenbleibt, obwohl man sich nichts mehr zu sagen hat. Aber Fremdgehen ist sicher der größte körperliche Verrat.

Heinze: Rainer Langhans sieht das sicher anders.

Knaup: Die Kunst der Liebe ist doch, denjenigen, den man schon lange kennt, immer wieder als neu und wunderbar zu empfinden. Schlimm ist, wenn man nicht mehr respektvoll miteinander umgeht und sich wie ein paar alte Hausschuhe behandelt.

Ist die Ehe der Paare im Stück vorbei?

Knaup: Das lassen wir mal offen.

Was sollte ein Mann heute können?

Knaup: Lügen wie gedruckt. (lacht)

Heinze: Zu seinen Überzeugungen stehen und eine Haltung haben.

Knaup: Für Frauen gilt das übrigens auch. Sie sollte eine Haltung haben. Und Humor.

Heinze: Eitelkeit ist schrecklich.

Knaup: Frauen nehmen Männer immer beim Wort. Und das ist falsch. Männer meinen es oft gar nicht so ernst, wie Frauen es in Erinnerung haben.

Heinze: Mein Großvater hat immer gesagt, das Geheimnis für eine gute Ehe ist: Ja Schatz, du hast recht. Auch wenn es nicht immer die Wahrheit ist.

"Die Wahrheit oder Von den Vorteilen, sie zu verschweigen, und den Nachteilen, sie zu sagen" , St.-Pauli-Theater, Premiere am 14.2., Vorstellungen bis zum 13.3., Karten in allen Abendblatt-Ticketshops und unter T. 30 30 98 98