Florian Gossens Regiedebüt “Das Lied in mir“ überzeugt als Vater-Tochter-Drama über Schuld und Vergebung, Identitätskrise und Selbstfindung.

Zu Beginn gleitet eine junge Frau elegant und schnell durchs Wasser. Maria (Jessica Schwarz) ist Leistungsschwimmerin auf hohem Niveau. Äußerst motiviert und zielstrebig. Auf das, was nun auf sie zukommt, ist sie allerdings nicht vorbereitet.

Auf dem Weg zu einem Wettkampf muss sie in Buenos Aires umsteigen. Während sie auf ihren Anschlussflug wartet, erwischt sie sich plötzlich dabei, wie sie ein Kinderlied, das eine Argentinierin ihrem Baby vorsummt, mitsingt. Wie das? Sie spricht überhaupt kein Spanisch! Völlig verstört unterbricht Maria ihre Reise und bleibt in Buenos Aires. Am Telefon berichtet sie ihrem Vater Anton (Michael Gwisdek) von der eigenartigen Erfahrung. Prompt steht er zwei Tage später unerwartet in ihrem Hotelflur und erleichtert sein Gewissen: Er sei nicht ihr leiblicher Vater, Maria sei als Dreijährige adoptiert worden, ihre Eltern seien während der Militärdiktatur verschwunden. Doch das ist nur die halbe Wahrheit.

Was für ein Film, was für eine Geschichte! Florian Gossen, der auch am Drehbuch mitschrieb, erzählt in seinem Regiedebüt ebenso schlüssig wie originell von einer Identitätskrise, die auch Themen wie Schuld und Sühne berührt. Interessant: Gossen geht es in dem Drama "Das Lied in mir" nicht so sehr um eine Aufarbeitung der Militär-Diktatur in Argentinien, in der Figur des deutschsprechenden Polizisten Alejandro (Rafael Ferro), den Maria zufällig kennenlernt, thematisiert er höchstens einmal den Wunsch nach Verdrängung - aus Angst vor unerwünschten Wahrheiten. So konzentriert sich der Film, fast wie ein leises Kammerspiel, aber doch in sorgsam komponierten Breitwandbildern, auf die Suche nach den familiären Wurzeln Marias. Jessica Schwarz verkörpert sie kongenial als erfolgsverwöhnte Sportlerin, deren Selbstbild plötzlich infrage gestellt wird. Hin- und hergerissen zwischen zwei Ländern und zwei Familien - ein Konflikt, den sie spürbar macht.

+++++ Das Lied in mir D 2010, 95 Min., ab 12 J., R: Florian Gossen, D: Jessica Schwarz, Michael Gwisdek, Rafael Ferro, Beatriz Spelzini, täglich im Abaton; www.dasliedinmir.de